„2004 war ich kurz glücklich“

Heinz Strunk reist in seinem jüngsten Buch nach Kenia und will auf keinen Fall etwas erleben. Das schafft er auch. Unsere Redaktion führte ein Gespräch mit dem Autor.

Herr Strunk, wo ist es schöner: daheim oder unterwegs?

Strunk: Daheim natürlich. Gelegentlich muss man zwar auch mal raus, sonst wird es ja langweilig. Allerdings habe ich mehr Sitzfleisch als andere. Ich bin gerne zuhause.

Haben Sie auf Reisen Heimweh?

Strunk: Ne. Noch seltener habe ich allerdings Fernweh — also nie. Für mich kommen eh nur Pauschal-reisen infrage. Allein die Vorstellung, im Ausland ein Auto zu mieten, ist mir schon zu aufregend.

Sie sind also der geborene Anti-Entdecker.

Strunk: Wenn Sie so wollen. Ich bin vom Naturell eher ängstlich. Ich habe etwa Höhenangst. Das ist aber in Ordnung: Man kann sich sein Leben lang damit herumplagen, seine Schwächen abzutrainieren. Ich bin stattdessen dafür, seine Stärken zu kultivieren.

Wie bereiten Sie sich vor, wenn Sie dann doch einmal verreisen?

Strunk: Abnehmen, man will sich ja ungeniert zeigen können — Stichwort Strandfigur. Erstaunlicherweise haben aber immer die adipösesten und voluminösesten Menschen kein Problem damit, sich nackt zu zeigen. Schrecklich.

Ihre Romanfiguren kommen selten gut weg, jede hat einen Makel. Ist das eine Fähigkeit, das Schlechte im und am Menschen zu erkennen?

Strunk: Das eignet man sich so an in Laufe der Jahre. Mit meinen Einschätzungen liege ich dann aber auch oft erschreckend richtig. Der schöne Satz „Alles Wahre steht im Gesicht“ trifft meiner Meinung nach total zu, das Innenleben formt die Physiognomie.

Klingt ziemlich misanthropisch.

Strunk: Ist aber so. Ich würde gerne die ganze Menschheit aus tiefstem Herzen lieben — klappt aber bei mir einfach nicht, leider.

In Ihren Büchern haben Sie sich bisher immer an sich selbst abgearbeitet und die eigene Pubertät, Jugend sowie Adoleszenz thematisiert. Ist das eine Form von Selbsttherapie?

Strunk: Wer beschäftigt sich nicht mit sich selbst? Gut, ich mache das vielleicht etwas offensiver. Womit sollte ich mich denn sonst beschäftigen als mit meiner Biografie. Rückblickend konnte ich so den toten Jahren zumindest etwas Sinn einhauchen.

Das klingt sehr traurig.

Strunk: Ich bin Melancholiker.

Was tun Sie dagegen?

Strunk: Weniger trinken, Sport, arbeiten. Ich war dieses Jahr ziemlich produktiv. Da kann ich stolz drauf sein. Zufriedenheit oder sogar Glücksgefühle kann ich daraus aber nicht generieren.

Wann haben Sie das letzte Mal Glück empfunden?

Strunk: Echtes Glück ist selten. Mein letztes Mal war nach der Veröffentlichung von „Fleisch ist mein Gemüse“. Damals war ich mit Studio Braun auf Tour, als das Buch auf dem Markt wie eine Rakete einschlug. Damit hatte ich nie im Leben gerechnet. Nachts im Hotel bin ich aufgewacht, habe zwei Stunden lang einfach nur dagelegen und mich glücklich gefühlt. Am nächsten Tag war das Gefühl weg.

Das ist aber schade.

Strunk: Nein. Was für ein maßloser Gedanke, dass der Mensch über einen längeren Zeitraum hinweg befähigt sein soll, glücklich zu sein. Das hätte jeder gerne. Glücksratgeber spielen mit dieser Sehnsucht ein teuflisches Spiel. Wie kann sich aber jemand anmaßen, mir sagen zu wollen, wie ich glücklich werde? Das ist doch Tinnef.

Vielleicht sollten Sie selbst einen Ratgeber schreiben?

Strunk: Ich plane in der Tat ein ähnliches Projekt. „Heinz Strunks Gedanken zur Zeit — Was uns wirklich wichtig ist“, oder so ähnlich. Das ist dann aber nicht so ernst zu nehmen.