Alice Munro: Große Dame, kurze Geschichten
13 Bände mit Kurzgeschichten haben das Genre wiederbelebt. Nun bekam Alice Munro dafür den Literaturnobelpreis.
New York. Die zierliche Alice Munro braucht nicht viel Platz, im Leben wie im Schreiben. An einem kleinen Sekretär in der Ecke ihres Wohnzimmers in der kanadischen Provinz Ontario entstanden ihre Kurzgeschichten, selten länger als 30 Seiten. Nur einen Roman („Kleine Aussichten“) hat die 82-jährige Kanadierin in ihrem langen Schriftstellerinnenleben veröffentlicht. Ansonsten hat sich die jetzt mit dem Literaturnobelpreis gekrönte Königin der Kurzgeschichte ans Genre der kleinen Erzählungen gehalten, das sie nach Ansicht vieler Kritiker meistert wie kaum ein anderer.
Schon lange wurde sie für den Nobelpreis gehandelt, inzwischen ist sie nicht mehr aktiv. „Ich werde wahrscheinlich nicht mehr schreiben“, hatte sie jüngst in einem Interview erklärt. „Es ist nicht so, dass ich das Schreiben nicht geliebt habe, aber man kommt in eine Phase, wo man über sein Leben irgendwie anders denkt.“
Aber Kurzgeschichten seien ein mühsames Geschäft, klagt die Schriftstellerin, deren Werke in Kanada und Großbritannien längst Bestseller sind. „Die Literaturkritik betrachtet Kurzgeschichten noch immer als eine Art Übungsform für den Roman, als mindere Disziplin jedenfalls, sagte Munro, die den Literaturbetrieb — so gut es geht — meidet, in einem ihrer seltenen Interviews. „Was habe ich mich gequält bei Versuchen, einen Roman zu schreiben! Bis ich irgendwann realisiert habe, dass die Kurzgeschichte die mir gemäße Form des Schreibens ist.“
Munro war Spätstarterin. Den ersten Erzählband („Tanz der seligen Geister“) veröffentlichte sie 1968 mit fast 40. Zeit zum Schreiben rang die damalige Hausfrau und Mutter dem Alltag ab. „Ich hatte schlicht zu wenig Zeit für das Schreiben, keine Zeit für große Würfe. Zur Kurzgeschichte fand ich aus praktischen Gründen.“ Ihre Geschichten sind immer nah an Munros Leben. Es geht um Frauen — Mütter und Töchter — in Kanada, die erwachsen werden und die schönen und tragischen Seiten des Lebens kennenlernen.
Schon vor Jahren habe ihr Verleger ihr gesagt, sie sei Favoritin für den Literaturnobelpreis. „Und ich wusste, wenn ich gewinne, wäre ich für eine halbe Stunde wahnsinnig glücklich, und danach würde ich denken: Was für eine Qual.“ Glück sei nämlich harte Arbeit.