Autor Gerhard Zwerenz mit 90 Jahren gestorben
Frankfurt/Main (dpa) - Gerhard Zwerenz arbeitete unermüdlich bis ins hohe Alter. Mehr als 100 Bücher veröffentlichte der preisgekrönte Schriftsteller - von Romanen über Krimis und Kinderbücher bis zu erotisch-pornografischen Texten.
Seit 2007 schrieb er im Internet an seiner politischen Biografie.
Doch der auf zuletzt 3500 Seiten angewachsene Weblog-Roman geriet nach einem schweren Sturz Anfang des Jahres ins Stocken. Nun ist der in Hessen lebende Autor und frühere Bundestagsabgeordnete am Montag nach längerer Krankheit gestorben.
Erst vor wenigen Wochen hatte Zwerenz seinen 90. Geburtstag gefeiert. Wie es ihm gesundheitlich gehe, wurde er anlässlich des Jubiläums am 3. Juni gefragt: „Wenn es mir besser ginge, würde ich vielleicht noch religiös“, erklärte der für seine Ironie bekannte Publizist.
In seinem Leben hat der Querkopf Zwerenz, der in den 1970er Jahren zu den bekanntesten Autoren der westdeutschen Linken gehörte (er schrieb etwa für „Konkret“, „Twen“ und „Pardon“), so manche Volte gedreht. 1925 im sächsischen Gablenz als Sohn eines Ziegeleiarbeiters und einer Textilarbeiterin geboren, machte er nach der Volksschule eine Lehre als Kupferschmied. 1942 meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht. Zwei Jahre später desertierte der junge Mann.
In der DDR konnte der auf seine proletarische Herkunft stets stolze Zwerenz von 1952 bis 1957 mit Sonderreifeprüfung beim berühmten jüdisch-marxistischen Philosophen Ernst Bloch in Leipzig studieren. Zwerenz ging zum Stalinismus auf Distanz und wurde 1957 aus der SED ausgeschlossen. Er ging in den Westen, um sich Jahrzehnte später nach der Wende wieder der alten Heimat zuzuwenden.
Für die SED-Nachfolgepartei PDS saß Zwerenz dann von 1994 bis 1998 im Bundestag - und beklagte das „Ausbluten des Ostens“. Seinen Frust als Abgeordneter verarbeitete Zwerenz in einem Buch („Krieg im Glashaus oder der Bundestag als Windmühle“).
Mit seiner Frau Ingrid - selbst Schriftstellerin und oberste Lektorin ihres Manns - lebte er im Taunus. Für seine Werke erhielt Zwerenz mehrere Auszeichnungen, so etwa den Ernst-Reuter-Preis (1974), den Carl-von-Ossietzky-Preis (1986) oder im Jahr 1991 den Alternativen Georg-Büchner-Preis.
In den vergangenen Jahren werkelte Zwerenz am „Opus magnum“ im Internet. Seine in Fragmenten angelegte sächsische Autobiografie trägt den skurrilen Titel: „Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte“.
Der schwere Sturz bremste Zwerenz dann zu Jahresbeginn aus. Im Januar war er beim „52. Nachruf“ angekommen. „Merkel, Troika, Akropolis und Platon“ heißt dieser plastisch - ein echter Zwerenz-Titel.