Bestseller-Autorin Dörte Hansen surft die Welle

Hamburg (dpa) - Dörte Hansen kann es immer noch nicht glauben: „Eher hätte ich einen Sechser im Lotto erwartet - und dabei spiele ich nicht einmal Lotto“, lacht die norddeutsche Autorin mit der blonden Kurzhaarfrisur.

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Es kommt auch nicht allzu oft vor, dass der erste Roman einer unbekannten Autorin, der bei einem kleineren Verlag erscheint, gleich auf der Bestsellerliste landet.

Bisher wurden von „Altes Land“ gut 150 000 Exemplare verkauft, der Knaus Verlag hat gerade die 17. Auflage in Auftrag gegeben. Seit sechs Wochen steht der Roman über Flucht, die Suche nach Heimat und dem Leben auf dem Land auf Platz 1 der „Spiegel“- Bestsellerliste.

Literaturkritiker Denis Scheck lobt das Buch als „tolles Debüt“. Es gelinge Hansen rundum, „auf Niveau zu unterhalten“. Das Kulturradio vom rbb spricht von dem „Überraschungserfolg bei den Buchhändlern“. Und selbst der Verlag wirkt ein wenig überrascht, obwohl man natürlich von Anfang überzeugt von dem Stoff gewesen sei, versichert Verlagssprecherin Susanne Klein. „Solche Erfolge von Debüt-Romanen kommen vor, aber sie sind nicht selbstverständlich und kaum planbar.“

„Ich hätte auch nicht gedacht, dass der Roman so hohe Wellen schlägt. Jetzt muss ich erstmal die Welle reiten“, sagt Hansen. Abgehoben ist die bodenständige Autorin, die mit ihrem Mann und ihrer zwölfjährigen Tochter vor zehn Jahren von Hamburg ins benachbarte Alte Land gezogen ist, deshalb noch lange nicht.

„Ich muss immer noch selbst meinen Kaffee kochen, bekomme noch immer keine Designerroben zugeschickt und werde an der Supermarktkasse nicht vorgelassen“, witzelt sie. „Das muss natürlich besser werden. Ich spiele mit dem Gedanken, mir ein paar Allüren zuzulegen.“ In Designerroben kann man sich die jugendlich wirkende 50-Jährige, die am liebsten eine weiße Bluse und Jeans trägt, kaum vorstellen. Auch Allüren scheinen ihr fernzuliegen, so locker und natürlich begegnet sie Besuchern und ihren Lesern auf den zahlreichen Lesungen.

Aufgewachsen ist Dörte Hansen mit drei Geschwistern in einem kleinen Dorf bei Husum in Schleswig-Holstein. Sprache war schon von Kindheit an ein wichtiges Thema und eine Art Heimat. „Wir haben Zuhause immer nur Plattdeutsch geredet“, erzählt sie. Auch mit ihrer Tochter spricht die Autorin Zuhause am liebsten Platt. Während ihres Studiums in Kiel untersucht sie seltene Sprachen wie Friesisch, Gälisch oder Baskisch, später kommt die Promotion in Linguistik dazu.

Nach einem Praktikum bei der Zeitschrift „Merian“ entscheidet sie sich für den Journalismus, arbeitet als Autorin für Hörfunk und Print. Den Traum, ein Buch zu schreiben, hatte sie schon länger. „Als ich auf die Fünfzig zu ging, dachte ich: Jetzt oder nie!“

Das Thema ihres ersten Romans war schnell gefunden: Das Leben auf dem Land, wie es wirklich ist und nicht, wie es in etlichen Hochglanzmagazinen dargestellt wird. „Ich komme vom Land, ich lebe wieder auf dem Land und fragte mich: Warum ist das Bild vom Landleben so merkwürdig?“

Eigene Erfahrungen als junge Mutter im Hamburger Szeneviertel Ottensen konnte sie gut in der Figur der Anne verarbeiten, die von ihrem Freund verlassen wird und mit ihrem kleinen Sohn ins Alte Land flüchtet. Dort trifft sie auf ihre Tante Vera, die als Flüchtlingskind mit ihrer Mutter aus Ostpreußen ins Alte Land kam und dort nie richtig heimisch werden konnte.

Der Kontrast zwischen Stadt und Land und die Flüchtlingsgeschichte sind auch das, was die Leser am meisten interessiert: „Ich dachte immer: 70 Jahre, das ist lange her. Aber das Thema ist in den Köpfen der Menschen noch sehr präsent. Vielleicht muss das auch erst zwei oder drei Generationen verheilen und dann kann man drüber reden.“

In den nächsten drei Wochen wird Dörte Hansen, die zur Entspannung gern an der Elbe joggt, das „Alte Land“ erstmal hinter sich lassen und bei einem Urlaub in Irland abschalten. Danach geht es wieder an den Schreibtisch. „Ich arbeite an meinem zweiten Buch, das in Nordfriesland spielt. In meinem Kopf nehmen die Figuren und die Geschichte gerade Gestalt an.“