Bruce Springsteen: Amerikas Gewissen
Peter Ames Carlin nähert sich Bruce Springsteen in einer Biografie so packend wie nie.
Düsseldorf. Am Ende ist es ein kleiner Wälzer geworden. Aber das Leben von Bruce Springsteen als personifiziertes wie musizierendes Gewissen Amerikas lässt sich eben nicht zur Lektüre für einen Abend zusammenraffen.
Dazu wuchert drum herum ein zu dichter Informationsdschungel aus Gerüchten, Fakten und Anekdoten, die bislang selten so packend — und zudem vom „Boss“ abgesegnet — erzählt wurden wie in Peter Ames Carlins Springsteen-Biografie „Bruce“, die jetzt veröffentlicht wurde.
Natürlich: Dass Carlin selbst Fan ist, gereicht ihm auch zum Nachteil. Ab und an verliert er sich nämlich zu sehr in euphorischen Momentaufnahmen von Konzerten und versucht, jeder Gesichtsregung des Künstlers eine tiefere Bedeutung beizumessen.
Aber Carlin hat als Amerikaner, Journalist und Intellektueller eben auch einen genauen Blick auf das Wichtigste im Zusammenhang mit Springsteen: den amerikanischen Traum als größten aller Träume und als unverzichtbares Element in dessen Songs.
Carlin kennt sich aus mit dem Kreislauf aus Scheitern und wieder Aufstehen, in dem sich Springsteen seit jeher ebenso bewegt wie die Menschen im Land, die Menschen in seinen Texten. Insofern ist es zwar nett zu erfahren, dass Janis Joplin den „Boss“ einst vernaschen wollte oder dass der sich mal mit LPs vor Polizisten auswies.
Aber ans Eingemachte geht es, wenn der Autor — der neben dem „Boss“ auch mit zahllosen Verwandten, Freunden und Bekannten sprach — ausführlich wie keiner zuvor Springsteens Nicht-Verhältnis zum depressiven, beruflich gescheiterten Vater schildert und damit offenbart, wer da oftmals Pate stand für die episch-düsteren Songs von zerplatzten Sehnsüchten.
Oder wenn er jene Mischung aus Besessenheit, Naivität und Unsicherheit darlegt, mit der Springsteen um jedes seiner Alben und gegen jede Einflussnahme von außen kämpfte — und mit der er die E-Street-Band stets an den Rand der Verzweiflung und Wut trieb.
In diesen Momenten erklärt Carlin dem Leser, warum Springsteen heute sogar jugendliche Punks inspiriert und warum nur er fähig war, nach den Terroranschlägen aufs World Trade Center ein die Nation aufrichtendes Album wie „The Rising“ rauszuhauen.