Geschichte einer familiären Rettung Buch: Ein kleiner Vogel als Anker zum Leben
Das Buch „Penguin Bloom“ ist zu wahr, um schön zu sein. Aber die Geschichte einer familiären Rettung geht trotzdem zu Herzen.
Sydney. Wahrscheinlich zählt es zu den größten menschlichen Herausforderungen, in Momenten tiefster Verzweiflung die Verbindung zum Leben nicht abreißen zu lassen. Oft bedarf es dazu eines Impulses von außen: einer Geste, eines Erlebnisses, vielleicht auch professioneller Hilfe. Für Sam Bloom war es eine Elster.
Womöglich sollte man das Buch „Penguin Bloom“ entgegen den üblichen Konventionen von hinten zu lesen beginnen. Das könnte einen davor bewahren, diese rührende Geschichte von Seite zu Seite immer rührseliger zu verkitschen. Auf den letzten 20 Seiten nämlich wendet sich Sam Bloom selbst an die Leser, besonders an diejenigen, die mit ihr die Erfahrung teilen, durch einen Unfall querschnittsgelähmt zu sein. Ihnen gibt sie mit auf den Weg: „Die eiskalte Angst in Ihrem Herzen, dass Sie nun für immer ein seltsamer Krüppel sein werden, dass die beste Zeit Ihres Lebens vorbei und Ihr wahres Ich für immer verschwunden ist — all dies ist normal. Sogar die Selbstmordgedanken und der Wunsch, tot zu sein.“
Die restlichen 180 Seiten des Buchs gehören ihrem Mann Cameron. Auf ihnen erzählt er die Geschichte der Rettung seiner Familie — als Fotograf in fantastischen Aufnahmen. Seine textliche Sicht der Dinge hat er lieber in die Hände des australischen Bestsellerautoren Bradley Trevor Greive gelegt.
„Und dann blieb die Zeit stehen.“ Dieser Satz leitet die Schilderung ein, wie Camerons Frau Sam während eines Thailand-Urlaubs im Januar 2013 von der Aussichtsterrasse eines Hotels stürzt. Als Folge schwerer Kopfverletzungen büßt sie ihren Geschmacks- und Geruchssinn ein, eine Rückenmarksverletzung führt zur Lähmung. Nach der Rückkehr ins heimische Sydney versinkt Sam in Depressionen. „Langsam, aber sicher verlor ich die Liebe meines Lebens“, schreibt ihr Mann.
Man wagt die Wendung kaum zu benennen, weil sie zu schön klingt, um wahr zu sein. Dabei ist das Buch doch zu wahr, um schön zu sein. Sohn Noah findet ein aus dem Nest gefallenes Elsterküken (wobei es sich um eine australische Elster handelt, eine Krähenart, die im Deutschen als Flötenvogel bezeichnet wird). Der Junge bringt das verletzte Küken mit nach Hause, um es zu pflegen — und gibt der Familie damit den rettenden Impuls.
Das Vogelweibchen erhält aufgrund seines Gefieders den Namen Penguin (engl. für Pinguin), bleibt fast zwei Jahre in der Familie Bloom und wird zu einer Art Vertrauter der hadernden, verzweifelten, wütenden und kämpfenden Sam. Analog zu ihr kämpft sich auch der Vogel zurück ins Leben — bis zu jenem denkwürdigen ersten Flug im Wohnzimmer Bloom. Das ist der Moment, ab dem der Text arg ins Pathetische abgleitet, als vertraute er dem nicht, was die Fotos doch schon so wunderbar erzählen. Für den noch geplanten Film mit Naomi Watts kann einem da ein bisschen angst und bange werden.
Penguin ist inzwischen in die Selbstständigkeit entflogen. Und Sam, heute 45 Jahre alt, hofft weiter, dass auch ihr Flügel wachsen. Sie baut darauf, dass es der Medizin eines Tages gelingt, verletzte Nervenzellen im Rückenmark durch gezielte Behandlungen regenerieren zu können. Die 2004 in Österreich gegründete private Forschungsstiftung, die auch durch einen Teil der Buchhonorare unterstützt wird, trägt den gerade in diesem Fall so passenden Namen „Wings for Life“.