Buchpreis Gewinner Stanisic: „Ein furioser Chorgesang in Prosa“
Der Deutsch-Bosnier Sasa Stanisic überzeugt die Jury des Leipziger Buchpreises mit seinem Roman „Vor dem Fest“.
Leipzig. Sprachkünstler im doppelten Sinn: Sasa Stanisic hat den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen, obwohl Deutsch nicht seine Muttersprache ist. 14 Jahre sprach er Bosnisch, bis er mit seinen Eltern aus der von Serben besetzten Heimat nach Heidelberg floh.
Am Donnerstag, am Tag der Eröffnung der Messe, zeichnete die Jury seinen Roman „Vor dem Fest“ über die Nacht vor einem Fest in einem Dorf der Uckermark in der Kategorie Belletristik aus. „Ein Roman als furioser Chorgesang in Prosa“, urteilte die Jury. Stanisic gilt als ein Shootingstar der deutschen Literaturszene.
Der 36-Jährige hatte es bereits mit seinem Romandebüt „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ 2006 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. „Man nennt es Literatur, und es lässt sich nicht einsperren in das Ghetto des ewigen Migrantentums“, sagte die österreichische Literaturwissenschaftlerin Daniela Strigl am Donnerstag in ihrer Laudatio.
Neben Stanisic wurden der Sachbuchautor Helmut Lethen („Der Schatten des Fotografen“) und Robin Detje für seine Übersetzung des Buches „Europe Central“ von William T. Vollmann aus dem amerikanischen Englisch ausgezeichnet.
„Ich hatte große Unsicherheiten beim Schreiben des Buches. Dieser Preis macht Mut“, sagte Stanisic. Die gewonnene Summe von 15 000 Euro sei für ihn nun eine Sicherheit zum Weiterschreiben. „Da muss ich nicht weiterdenken über Brotjobs.“ Mit dem Gewinn des Preises habe er nicht gerechnet, sagte er. „Ich bin wahnsinnig überrascht und sehr, sehr froh“.
Mit der Wahl von Stanisic hat der Leipziger Buchpreis ein Zeichen für eine gesamteuropäische Literatur gesetzt. Der Schriftsteller Maxim Biller hatte Stanisic zuvor in der „Zeit“ Anpassung vorgeworfen, weil er nach seinem Debüt „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ radikal das Thema gewechselt habe. Das damalige Werk war stark autobiografisch geprägt und spielte vor dem Hintergrund des Balkan-Krieges.
Dass es Stanisic nun nach Ostdeutschland verschlug, war für ihn Zufall. „Vor dem Fest“ solle kein Nachwenderoman sein, sagte er. „Es war am Anfang eine Idee, die noch gar keine Region hatte. Ich wollte ganz unbedingt Geschichten erzählen, die eine kleine, abgeschlossene Welt nahebringen.“ Dass ihm das mit Bravour gelang, davon war die Jury überzeugt.