Todestag Die andere Seite des David Foster Wallace
Köln · Der Todestag von David Foster Wallace jährt sich am 12. September zum zehnten Mal. Im Alter von 46 Jahren hatte sich der unter schweren Depressionen leidende Schriftsteller in seinem Haus im kalifornischen Claremont das Leben genommen.
Seinen festen Platz in der Literaturgeschichte hat Wallace vor allem wegen seiner Romane. Mit „Unendlicher Spaß“ machte er 1996 erstmals von sich reden. Den Roman ins Deutsche zu übertragen, galt als Herausforderung. Der in Basel lebende Übersetzer Ulrich Blumenbach hat dafür viel Anerkennung und mehrere Preise bekommen. Nun hat Blumenbach das essayistische Werk des US-Autors herausgegeben, wieder eine respekteinflößende Mammutaufgabe und ähnlich verdienstvoll.
„Der Spaß an der Sache - Alle Essays“ lautet der Titel des mehr als ein Kilogramm schweren, fast 1100 Seiten dicken Bandes. Er versammelt die Arbeiten, mit denen Wallace in den USA - anders als in Deutschland - bereits bekannt war, bevor er als Romancier durchstartete.
„Der Spaß an der Sache“ heißt auch einer der Essays, in dem Wallace sich mit dem Schreibprozess auseinandersetzt: „Am Anfang, wenn man zum ersten Mal versucht, Literatur zu schreiben, dreht sich alles nur um den Spaß“, heißt es darin. „Man erwartet nicht, dass das je ein Mensch lesen wird. Man schreibt praktisch nur, um sich einen runterzuholen.“
Wallace gehörte zu den Schriftstellern, die immer wieder übers Schreiben reflektierten. Er unterrichtete seit 2002 als Professor für englische Literatur und Creative Writing in Claremont. Entsprechend viele Texte in dem Essayband widmen sich „Ästhetik, Sprache und Literatur“.
Aber er war auch ein erstaunlich vielseitiger Autor mit zahlreichen Interessen, die nicht jeder sofort mit ihm in Verbindung bringt. Und er hat etliche bemerkenswerte journalistische Texte veröffentlicht. Zu den bekanntesten darunter zählt „Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich“.
Wallace berichtet auf mehr als 100 Buchseiten von seinen Erfahrungen während einer Karibikkreuzfahrt, eine detaillierte Abrechnung mit vielen unbarmherzigen Beobachtungen, gnadenlos gut formuliert: „Ich habe sacharinweiße Strände gesehen. Wasser von hellstem Azur. Ich habe einen knallroten Jogginganzug gesehen, mit extrabreitem Revers. Ich habe erfahren, wie Sonnenmilch riecht, wenn sie auf 21.000 Pfund heißes Menschenfleisch verteilt wird.“
Viele solcher Texte hat Wallace für Zeitungen und Magazine geschrieben, auch über politische Themen, für den „Rolling Stone“ beispielsweise im Jahr 2000 über den republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten John McCain auf dessen Wahlkampftour. Die ersten fünf Essays drehen sich allerdings um Tennis, die Sportart, die Wallace seit seinen Teenagertagen fasziniert hat - er hat selbst passabel gespielt -, und er hat mit großer Begeisterung darüber geschrieben.
Wallace war als Journalist berühmt und berüchtigt, bemerkt Blumenbach in seinem Vorwort: „Berüchtigt bei den Herausgebern und Redakteuren der Zeitschriften, für die er schrieb, weil er sämtliche Längenvorgaben gnadenlos überschritt und hinterher jedes Wort mit Zähnen und Klauen verteidigte.“ Schreiben war für den Autor eben nicht irgendeine Art, Geld zu verdienen, es ging ihm um mehr, immer. Eine weitere Gemeinsamkeit seiner Texte ist der exzessive Gebrauch von Fußnoten. Und ebenfalls ein roter Faden: Immer wieder kommt Wallace auf das Thema Traurigkeit zu sprechen, das ihn nie losgelassen hat, auch wenn im Titel seines ersten großen Romans genau wie jetzt in seinem monumentalen Essayband geradezu demonstrativ von Spaß die Rede ist.
- David Foster Wallace: Der Spaß an der Sache - Alle Essays, herausgegeben von Ulrich Blumenbach, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1086 Seiten, 36 Euro, ISBN 978-3-462-04989-3.