Ein Blick in Erich Kästners Familienalbum
3000 Fotos zeigen in Marbach verschiedenste Facetten des Kinderbuchautors.
Stuttgart. Gerade steht er da, in seiner Militäruniform. Umgeben von Bäumen wirkt der „einjährige Freiwillige“ fesch und stolz. Doch wer die Gesichtszüge des jungen Erich Kästners genau studiert, erkennt: Irgendetwas stimmt nicht. Das Gesicht wirkt aufgesetzt, der Stolz vorgeschoben. „Der Sergeant hat ihn zum Pazifisten geprügelt“, erzählt Frank Druffner vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach in Baden-Württemberg. Und seine Kollegin Rosemarie Kutschis ergänzt: „Der Drill brachte ihm einen Herzfehler ein.“
Die beiden haben sich systematisch durch den Nachlass des Schriftstellers (1899-1974, „Das doppelte Lottchen“) mit rund 3000 Fotos gearbeitet. Die meisten Bilder haben sie archiviert. Sie liegen in Ordnern, geschützt von Pergamenttaschen. Die Bilder sind begehrt: Immer wieder gibt es Anfragen von Biografen oder Magazinen, welche die Fotos nutzen möchten. Das Marbacher Archiv macht den Schatz dann gegen Gebühr zugänglich.
Grob wird der Nachlass in drei Gruppen eingeteilt: Privatfotos, von denen viele Schnappschüsse sind. Atelierfotos, die oft zu Werbezwecken oder für Buch-Cover gemacht wurden. Und Zeitdokumente, die meist in Zeitungen veröffentlicht wurden. Vor allem die Privatfotos sprechen Bände. Beschriftungen auf ihrer Rückseite erzählen Geschichten. Manche Bilder, wie das Soldatenfoto, erinnern auch an weniger bekannte Facetten des schelmischen Kinderbuchautors.
Dazu gehört auch das verhätschelte und überbehütete Muttersöhnchen, das Kästner nicht nur in der Kindheit bleiben sollte. Schon als blond gelocktes Baby auf dem Bärenfell war der Knirps Mamas ganzer Stolz. Jahre später schrieb sie auf ein Foto: „Mein kleiner süßer Junge, 8 Jahr alt, im selbst gefertigten Anzügel. Erich heißt er.“ dpa