Enzensbergers vergnügliche Chronik des Scheiterns

Berlin (dpa) - Wer viel schafft, dem misslingt auch vieles. Das ist eigentlich ganz normal. Aber es gehört schon sehr viel Abgeklärtheit, Altersweisheit und Souveränität dazu, um darüber auch so unverblümt zu schreiben wie Hans Magnus Enzensberger.

Mit 81 Jahren blickt er als Schriftsteller und Intellektueller auf ein so reiches Lebenswerk zurück, dass er erhobenen Hauptes zu seinen vielen Flops stehen kann: „Triumphe halten keine Lehren bereit. Misserfolge dagegen befördern die Erkenntnis auf mannigfaltige Art.“ So hätten Flops eine geradezu therapeutische Wirkung: „Sie können berufsbedingte Autorenkrankheiten wie Kontrollverlust oder Größenwahn wenn nicht heilen, so doch mildern.“

Mit Augenzwinkern lässt Enzensberger in „Meine Lieblings-Flops“ eine stattliche Anzahl von Niederlagen Revue passieren: Kino-Flops, Opern-Flops, Theater-Flops, verlegerische Flops, literarische Flops. Dabei weist jede Branche ihre Eigenarten auf. Während sich die Filmbranche der weitaus meisten Flops rühmen kann, hat die Bühne die besten zu bieten. Denn dort „rasselt eine gescheiterte Inszenierung mit einer Plötzlichkeit durch, die an die Arbeitsweise einer gut geölten Guillotine erinnert.“

So grausam exekutiert wurde etwa die Vaudeville-Darbietung „La Cubana“ 1975 in München. Zur Musik von Hans Werner Henze hatte Enzensberger das Libretto geschrieben. Doch wegen seiner Langatmigkeit fiel das Stück gnadenlos durch. Sogar Enzensberger war während der Premiere eingeschlafen: „Selbst der matte Beifall vor der Pause reichte nicht aus, um mich zu wecken.“

Nicht bei allen Flops allerdings traf den Autor die Schuld. Vor allem Filmprojekte blieben oft in einem unentwirrbaren Dschungel von Gremien, Produzenten und Fernsehanstalten hängen. Die recht amüsanten Geschichten des Scheiterns der Projekte „Lichtenberg“, „Humboldt“ und „Hammerstein“ wären allein schon einen Film wert. So rissen sich um die Verfilmung der erfolgreichen Enzensberger-Biografie über General Kurt von Hammerstein-Equord vier bis fünf „Zentralgestirne“ der Branche. Doch trotz mancher Tasse Kaffee und viel Enthusiasmus wurde nichts aus der Sache: „Der Sand, in dem diese Unterhaltungen verlaufen sind, gleicht einer Wanderdüne, die Hammerstein und die Seinen bis heute bedeckt.“

Die Liste der Flops ist aber nicht nur beeindruckend, sie zeugt ganz nebenbei auch von der enormen schöpferischen Bandbreite Enzensbergers. Was hat er nicht alles auf die Beine gestellt! Aus seiner Wundertüte an Ideen seien hier genannt: Mehrere verlegerische Projekte wie das in unendlichen Diskussionen zerredete europäische Intellektuellenmagazin „Gulliver“, interessante Experimente wie eine transportable „Taschenoper“, die leider an Intrigen scheiterte, oder die in einem Wüstenemirat versickerte Idee eines Poesie-Brunnens. Wer neben der sehr kurzweiligen Lektüre der Flops noch mehr Einblicke in das Universum Enzensbergers gewinnen will, dem sei das parallel erschienene „Album“ empfohlen. Das nobel aufgemachte Buch enthält Bonmots, Skizzen, Zitate, Rätsel, ein Sammelsurium an Fundstücken aus der Ideenwelt des Schriftstellers.

Hans Magnus Enzensberger:

Meine Lieblings-Flops, gefolgt von einem Ideen-Magazin

Suhrkamp Verlag Berlin, 240 Seiten, 19,90 Euro,

ISBN 978-3-518- 42211-3

Album, Suhrkamp Verlag Berlin

336 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-518-42210-6