Fred Vargas: Krimis zum Vergnügen

Porträt: Fred Vargas, französische Autorin, erholt sich von der Wissenschaft mit eigenen Krimis.

Paris. Krimis schreiben, das heißt für Fred Vargas, Märchen erzählen, Geschichten von Helden, die schreckliche Gefahren überstehen müssen. So wie es die Menschen seit Urzeiten tun, um der eigenen Existenzangst Erleichterung zu verschaffen. Dabei sind die Helden der erfolgreichen Krimiautorin keine Siegertypen. Es sind eher skurrile Menschen, wie Kommissar Kehlweiler, der immer eine Kröte mit sich führt, oder die drei arbeitslosen Historiker Marc, Lucien und Matthias, genannt die drei Evangelisten. In den jüngsten Büchern wird die Pariser Mordkommission von Jean-Baptiste Adamsberg geleitet, einem verträumten Einzelgänger, der nur intuitiv vorgehen kann.

Fred Vargas selber ist Historikerin. Als Spezialistin für die Archäozoologie des Mittelalters hat sie ein Standardwerk über die Ausbreitung der Pest verfasst. Und wie schaffte sie es, daneben noch Romane zu schreiben? "Ich habe die Romane immer in den Sommerferien in drei Wochen geschrieben. Neben der Arbeit und der Erziehung meines Sohnes wäre ich nicht dazu gekommen. Als ich mich vor drei Jahren beurlauben ließ, wollte ich in Ruhe schreiben, so wie es richtige Autoren tun. Aber nach drei Wochen war der neue Roman fertig."

Es bleibt also bei der alten Aufteilung, tagsüber der Dienst, in den Ferien die Romane. Ohnehin stürzten viele Projekte auf sie ein: "Ich setzte mich für den italienischen Ex-Terroristen Cesare Battisti ein."

Battisti wurde in Italien in Abwesenheit wegen Mitschuld an vier Morden verurteilt. Mitterand hatte ihm vor über 20 Jahren politisches Asyl gewährt, Chirac jedoch hob dieses auf. Für Fred Vargas, die an Battistis Unschuld glaubt, ein absolut illegaler Deal zwischen Chirac und Berlusconi. Battisti entzog sich der Auslieferung durch Untertauchen und ist vor kurzem in Brasilien verhaftet worden. Jetzt droht der Autorin eine Klage wegen Fluchthilfe.

Nebenbei entwickelte Fred Vargas auch einen billigen Schutzanzug für jedermann gegen die Vogelgrippe, denn sie weiß, wie leicht eine Pandemie die sozialen Strukturen zerstören kann. Als Krimiautorin greift sie zwar auf ihr Wissen zurück, geht aber locker damit um: "Ich recherchiere nie für einen Kriminalroman. Das tue ich ja schon in der Arbeit fortwährend. Krimis schreibe ich zu meinem Vergnügen, da gehe ich ganz ohne Plan vor. Recherchierte Fakten sind außerdem langweilig zu lesen."

Als sie in "Fliehe weit und schnell" (Deutscher Krimi-Preis 2004) das Thema Pest verarbeitet hat, das sie als Wissenschaftlerin "auswendig kennt", hat sie darum darauf geachtet, nicht zu viele Details anzuhäufen. Lieber erfindet sie. Das mittelalterliche Rezept für das ewige Leben, das in "Die dritte Jungfrau" eine wichtige Rolle spielt ebenso wie alle Fälle in ihren bisher neun Krimis: "Reale Verbrechen sind nie so interessant wie erfundene. Und wenn ich wirklich von einem ungewöhnlichen Verbrecher erfahre, würde ich ihn nicht in einen Roman einarbeiten, es käme mir unmoralisch vor, ihn zu meinem Vergnügen zu benutzen."

geboren 7. Juni 1957 in Paris als Frédérique Audoin-Rouzeau. Der Vater ist der Kulturjournalist Philippe Audoin, die Mutter ist eine Schwester des Historikers Stéphane Audoin-Rouzeau.

wohnhaft Fred Vargas lebt in Paris, wo sie hauptberuflich für den CNRS (Centre national de la recherche scientifique) arbeitet.

Bücher Zehn Romane von Fred Vargas sind auf Deutsch im Aufbau-Verlag erschienen. Neu: "Die dritte Jungfrau", aus dem Französischen von Julia Schoch, 474 S., geb., 19,95 Euro.