Henning Mankell: Nach Sterben fühlt es sich nicht an

Düsseldorf (dpa) - Ende 2013 wurden bei ihm Tumore in Hals, Nacken und Lunge festgestellt. Mit seiner Krankheit geht Bestseller-Autor Henning Mankell sehr offen um.

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Der 66-Jährige berichtet nicht nur in einer Kolumne in Schweden über seinen Krebs. Zurzeit schreibt er auch an einem Buch, das sich mit dem Leben und Überleben beschäftigt.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht er über seinen Gesundheitszustand und sein neues Werk, das im Frühjahr erscheinen soll.

Frage: Herr Mankell, als Sie vor knapp zwölf Monaten die Diagnose erhielten, dass Sie Krebs haben, sprachen Sie von einem „Abstieg in die Hölle“. Wie gehen Sie inzwischen mit der Krankheit um?

Antwort: Auch wenn ich versuche, nicht ständig daran zu denken, ist der Krebs ein ständiger Begleiter. Ich werde nie krebsfrei sein, er wird immer da sein. Aber dank der Fortschritte der Medizin kann ich im besten Fall noch viele, viele Jahre damit leben - und plötzlich auch an etwas anderem sterben. Denken wir nur mal 50 Jahre zurück: Damals lag die Überlebenschance bei gerade mal 20 Prozent. Heute ist sie bei über 70 Prozent. Es fühlt sich auch gerade nicht nach Sterben an.

Frage: Bekommen Sie immer noch eine Chemotherapie?

Antwort: Ja, die bekomme ich. Und ich leide zum Glück nicht unter heftigen Nebenwirkungen. Die Chemo schlägt gut an: Einige der Tumore sind ganz verschwunden. Ich habe keine Schmerzen. Man sieht mir die Krankheit nicht an, ich sehe aus wie immer. Gut, manchmal bin ich sehr müde.

Frage: Sie schreiben zurzeit an einem neuen Buch, das im Frühjahr auch bei uns in Deutschland erscheinen soll. Wovon wird es handeln?

Antwort: Der Titel des Buches in Deutschland wird voraussichtlich „Treibsand“ lauten. Die Handlung beginnt im Dezember letzten Jahres, als ich die Krebs-Diagnose bekommen habe. Es ist aber kein Buch über Krebs und über dunkle Gedanken. Es ist mehr eine Geschichte darüber, was mein Leben ausmacht. Um Glück wird es gehen, ums Überleben. Alt-Bundespräsident Horst Köhler, den ich gut kenne, hat übrigens zugesagt, das Vorwort für die deutsche Ausgabe zu schreiben.

Frage: Es ist also ein autobiografisches Werk, wobei es auch philosophische Gedanken zu enthalten scheint, oder sogar religiöse?

Antwort: Nein, nein, letzteres nicht. Ich glaube an vieles, aber nicht an Gott.

Frage: Afrika ist im Laufe der Jahre zu Ihrer zweiten Heimat geworden. Im Westen des Kontinents wütet immer noch der Ebola-Virus. Hatten Sie in den letzten Monaten aufgrund ihrer Krankheit überhaupt die Energie, am Schicksal all der Opfer Anteil zu nehmen?

Antwort: Natürlich habe ich die Energie. Ja, ich habe Krebs. Und es ist ernst. Doch es gibt auch Tage und Stunden, in denen es so wirkt, also würde ich normal leben. Und dann denke ich natürlich darüber nach, was auf auf Welt passiert und nehme Anteil.

Frage: Rockmusiker Bob Geldof hat mit seinem Band-Aid-Projekt den Klassiker „Do They Know It's Christmas?“ neu aufgenommen und Geld für Ebola gesammelt. Zahlreiche Künstler haben ihn dafür scharf kritisiert. Die britische Sängerin Lily Allen zum Beispiel nannte das Projekt „selbstgefällig“. Wie bewerten Sie Geldofs Hilfsbereitschaft?

Antwort: Wenn wir in diesem Zusammenhang über Bob Geldof sprechen wollen, muss ich den U2-Sänger Bono mit ins Spiel bringen. Denn Bono macht es sehr geschickt: Im Kampf für eine bessere Welt ohne Aids und Armut wird er nicht müde zu kritisieren. Er wirft der Politik, aber auch jedem einzelnen vor, zu wenig zu tun. Bob Geldof dagegen ist mehr damit beschäftigt, den Hut oder Klingelbeutel herumgehen zu lassen. Er setzt auf Sentimentalität. Ich finde aber die Art, wie Bono es macht, besser. Er ist für mich näher dran an den Problemen. Schließlich ist es wichtig, dass die Politik, die ganze Weltgemeinschaft auf den Virus reagiert und Verantwortung übernimmt.

Frage: Was liegt Ihnen denn näher? In aller Stille für eine gute Sache zu spenden? Oder würden Sie Charity-Projekte eher möglichst medienwirksam aufziehen?

Antwort: Ich bevorzuge es, nicht groß darüber zu sprechen, was ich tue. Sonst geht der Sinn und Zweck irgendwie verloren.

ZUR PERSON: Henning Mankell wurde 1948 im schwedischen Härjedalen (bei Stockholm) geboren. Der Schriftsteller schuf den legendären Kommissar Kurt Wallander aus dem südschwedischen Ystad. Die Krimis wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und auch verfilmt. Dazu kamen weitere Krimis, einige Afrika-Romane sowie Kinder- und Jugendbücher.

Bis zu seiner Krebs-Diagnose verbrachte Mankell die Sommermonate in Schweden, die meiste Zeit des Jahres aber in Mosambik: Seitdem er sich 1972 mit einer Afrika-Reise einen Kindheitswunsch erfüllt hatte, ließ ihn der Kontinent nicht mehr los. Seit 1996 leitete er das Teatro Avenida in Maputo. Behandeln lässt er sich nun im schwedischen Göteborg.