Internet-Pranger: Die dunkle, bedrohliche Seite des weltweiten Netzes
Auch Nicht-Prominente werden zum Opfer.
Düsseldorf. Eine intime E-Mail-Korrespondenz gerät an die Öffentlichkeit. Der heimlich gefilmte Streit zweier Männer in einem Hongkonger Bus avanciert zum Video-Hit auf Youtube. Ein nur für Freunde gedachtes Internet-Tagebuch wird an die Öffentlichkeit gezerrt.
Drei von zahlreichen Beispielen, die Bernhard Pörksen und Hanne Detel detailliert in ihren Entstehungsgeschichten schildern und die Gemeinsamkeiten solcher und ähnlicher Vorgänge analysieren: der Kontrollverlust, den das Internet für alle Beteiligten bedeuten kann.
Und zwar eben nicht nur für Prominente, sondern auch für zuvor gänzlich Unbekannte, die zum Opfer werden. Opfer eines Cybermobs, der im Schatten der Anonymität gnadenlos agiert, fertigmacht. Ohne für das Leid der Opfer zur Verantwortung gezogen zu werden.
In Zeiten des Internet „verwandelt sich jedes Geheimnis in eine Information, die nur darauf wartet, verraten zu werden“, schreiben die Autoren, zwei Medienwissenschaftler. Heute kann niemand mehr wissen, was der andere über einen weiß, und woher er dieses Wissen hat.
Dennoch plaudern die Menschen freimütig via Facebook Privates über sich aus. Da droht, so die Warnung der Autoren, nicht nur der totale Kontrollverlust. Sondern auch, dass das einmal in die Öffentlichkeit Geratene aus dem Kontext gerissen, in ganz anderem Zusammenhang benutzt wird.
Was da im Internet schlummert und jederzeit wieder hervorgekramt werden kann, nennen Pörksen und Detel treffend die „potenziell ewige Gegenwart“. Mag die einzelne Information auch Jahre um Jahre irgendwo schlummern, sie ist letzten Endes nur eingefroren und kann jederzeit wieder aufgetaut werden.
Das mit spannenden und authentischen Geschichten gespickte Sachbuch macht die Botschaft nur allzu deutlich: den Kontrollverlust, den jede Aktion im Internet nach sich ziehen kann. Die Lehre, die die Autoren daraus ableiten, ist ein moderner kategorischer Imperativ: „Handele stets so, dass Dir die öffentlichen Effekte Deines Handelns langfristig vertretbar erscheinen.“ Und sie fügen hinzu: „Aber rechne damit, dass dies nichts nützt.“