Interview: Helme Heines große Freiheit
Der Kinderbuchautor ist auf den Fußball gekommen und hat in der weiten Welt gefunden, was er in Deutschland vermisst.
Düsseldorf. Herr Heine, an Ihren Büchern ließ sich bisher nicht ablesen, dass Sie Fußball-Fan sind. Sind Sie einer?
Helme Heine: Eher nicht. Wenn ich in Deutschland bin, gucke ich schon mal ein Spiel. Das ist ja ganz lustig.
Wie sind Sie dann zu dem Fußball-Thema gekommen?
Heine: Die Deutsche Fußball-Liga hat über meinen Sohn, der in Deutschland lebt, mit mir Kontakt aufgenommen. Ich bin dann zu dieser riesigen Zentrale in Frankfurt gereist und habe denen gesagt, dass ich kein Fußball-Experte bin. Aber die haben gemeint, ich solle nur mal machen. Ursprünglich wollte die DFL das als ihr Buch verkaufen, am Ende aber doch nicht — warum auch immer. Da habe ich es verschiedenen Verlagen angeboten, die haben sich darum gerissen.
Fußballfans nehmen das Spiel meist sehr ernst. Reagieren die nicht pikiert auf Ihre spielerische Annäherung?
Heine: Seltsamerweise nicht. Ich habe beispielsweise sehr positive Reaktionen von Frauen auf die Regel: „Abseits ist, wenn Eva pfeift“.
Schreiben Sie für Erwachsene anders?
Heine: Im Grunde nicht. Ich nehme nur elementare Themen, keine Geschichten mit hier ein bisschen Liebe und da ein bisschen Action. Deswegen werde ich auf der ganzen Welt geschätzt. Und es schwingt immer etwas Politisches mit. Nicht im parteipolitischen Sinne, aber was gerecht ist und was nicht, das ist sehr politisch und wird überall verstanden.
Entwickeln Sie das Thema wenigstens anders?
Heine: Das brauche ich nicht, denn ich bin sowieso ein vielseitiger Bursche. Berühmt bin ich für die Kinderbücher, aber ich mache ja noch tausend andere Sachen. So schreibe ich Reden, oft für die Industrie. Neulich habe ich für eine Industrielle einen 40-minütigen Vortrag zum Thema „Die Frau gestern, heute und morgen“ verfasst. Am 3. Juli rede ich in einer großen Privatbank über die Finanzkrise — etwas Satirisches darüber, wie das Sparschwein zur bedrohten Art wurde.
Sie sind immer wieder fortgezogen — nach Südafrika, Irland und Neuseeland. Was fehlt Ihnen in Deutschland?
Heine: Vielleicht diese Freiheit — in vieler Hinsicht. In Johannesburg habe ich ein eigenes Kabarett aufgemacht — das hätte ich in Deutschland nie gewagt. Da wäre ich nicht der erste gewesen, dann die ganzen Auflagen mit Brandschutz und Toilettenanlagen . . .
Das gilt auch für Neuseeland?
Heine: Ich habe immer von einem Grundstück am Meer geträumt. Jetzt habe ich viele tausend Quadratmeter an einer Bucht. In Neuseeland ist das bezahlbar, in München könnte ich mir von dem Kaufpreis mit Mühe ein Studentenapartment leisten. In Deutschland baut man fantastisch solide, schreibt mir aber auch den Neigungswinkel des Daches bis auf den Millimeter vor. Dort kann ich bauen, wie ich will, so lange der Schatten meines Hauses nicht auf die Terrasse des Nachbarn fällt.
Denken die Menschen auch freier?
Heine: Auf jeden Fall. Ein Beispiel: Unser Bekannter Donald hatte 20 Jahre lang die Apotheke. Da steht er eines Tages mit der Post vor der Tür. Er habe jetzt mehr Lust auf den Job als Briefträger, sagte er, nur bei Regen komme er nicht. Dort gibt es eine Leichtigkeit, mit der man etwas Neues anfängt. Dafür darf man natürlich nicht so hohe Ansprüche an das Leben stellen und meinen, man müsste ein Jahresgehalt für ein Auto ausgeben. In Afrika ist das ähnlich. Da reichen einfache Dinge, um mit etwas anzufangen. Sie finden ein Stück Holz, besorgen sich irgendwoher einen Schraubenzieher und fangen an zu bildhauern. Das habe ich auch so gemacht, ganz ohne diese europäische Vorstellung, man bräuchte erst ein Studium und ein Atelier.
In Neuseeland sind Sie wunschlos glücklich?
Heine: Wenn es noch die Kultur hätte, wäre es das ideale Land. Aber ich komme auch gern jedes Jahr nach Europa, dann sauge ich mich voll mit Kultur.
Wie erleben Sie die Menschen in Deutschland?
Heine: Die Leute wirken in vielen Dingen mutlos. Und es dreht sich immer um das, was morgen drohen könnte — sei es die Eurokrise oder der Wasserstand. In Afrika mit seiner bitteren Armut wird mehr gelacht und getanzt als hier. Die Menschen kommen mir auch jedes Mal gehetzter vor, haben immer weniger Zeit zum Zuhören. In Neuseeland habe ich endgültig gelernt, im Jetzt zu leben.