John le Carré: Der Spion, der zum Erzähler wurde
Der britische Bestseller-Autor John le Carré wird 80 Jahre alt
Berlin. John le Carré ist eine Ausnahme: Er schreibt Spionageromane und wird doch als Autor respektiert. Denn das Leitmotiv seiner Geschichten sind die Grundthemen des Lebens: Liebe, Lügen, Verrat. Am Mittwoch wird der Brite 80 Jahre alt.
Die Kunst, Geschichten zu spinnen, wurde le Carré — mit bürgerlichem Namen David John Moore Cornwell — unschön in die Wiege gelegt. Seine Mutter, eine Schauspielerin, verschwand, als er fünf Jahre alt war.
Sein Vater war ein Hochstapler, der zwischen erschwindeltem Reichtum und Knast pendelte und sich viel später manchmal für seinen berühmten Sohn ausgab, um Frauen zu beeindrucken: „Wir lebten ständig in Lügen. Da hieß es, mein Vater war im Urlaub. Aber er war im Gefängnis.“
Dieser Lebensstart bescherte David Cornwell eine unbändige Fantasie — und den Drang nach Stabilität, der ihn in die Arme des britischen Geheimdienstes trieb. In den 50er Jahren kam er unter dem Diplomaten-Deckmantel nach Deutschland, war als Agent aber nicht sonderlich erfolgreich.
Eines Tages sollte er einen sowjetischen Gegenspieler bei sich zu Hause als Doppelagent antesten. „Der Russe kam, trank Wodka, spielte Cello — und sagte den ganzen Abend kein Wort. War das ein Reinfall!“
Der Erfolg kam 1963 mit dem Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam“. Das dünne Buch veränderte Cornwells Leben und den Spionageroman. Gut und Böse verschmolzen zu grau, die Agenten waren keine Helden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Als herauskam, wer sich hinter dem Pseudonym John le Carré verbirgt, war es vorbei mit der Geheimdienstkarriere.
Stattdessen schrieb le Carré über die Welt der Agenten und war mit seinem desillusionierten Meisterspion George Smiley dauerhaft erfolgreich. Gerade wurde der bekannteste Smiley-Roman, „Dame, König, As, Spion“ mit Gary Oldman neu verfilmt. Obwohl inzwischen eine „ganze Generation aufgewachsen ist, die überhaupt nicht mehr weiß, was der Kalte Krieg war“.
Der Fall des Eisernen Vorhangs nahm le Carré die gewohnte Arena für seine Geschichten, und er richtete seinen kritischen Blick in den Westen. Seine Bücher drehten sich nun um den Waffenhandel, Machenschaften von Pharma-Konzernen, den Krieg gegen den Terror oder zuletzt die russische Mafia. Als Publizist kritisierte er die US-Außenpolitik („Amerika ist verrückt geworden“) und forderte mehr Toleranz für den Islam.
Mit 80 ist le Carré ein rüstiger Gentleman, unvermindert charmant und scharfsinnig. Schon der Anblick eines Fremden auf der Straße kann seine Fantasie entfachen. Er ist in Frieden mit sich selbst: „Wenn alles sehr bald vorbei sein sollte, würde ich nichts außer Dankbarkeit spüren. Es wäre eine Sünde, für ein Leben wie meins nicht dankbar zu sein.“