Lektor Barry Cunningham: Harry Potters Entdecker
Der Lektor Barry Cunningham (58) erkannte als erster das Potenzial von Harry Potter — und ließ die Manuskripte drucken.
London. Vor gut 15 Jahren tauchte Zauberlehrling Harry Potter zum ersten Mal auf dem Buchmarkt in Großbritannien auf — und setzte eine weltweite Erfolgslawine in Gang. Dabei war das Manuskript der Autorin Joanne K. Rowling zuerst von mehreren Verlagen abgelehnt worden. Lektor Barry Cunningham (58) vom damals kaum bekannten Haus Bloomsbury Publishing erkannte schließlich das Potenzial der auf sieben Folgen angelegten Reihe und griff zu.
Herr Cunningham, was war Ihr erster Gedanke, als Sie das erste Potter-Manuskript lasen?
Barry Cunningham: Ich war auf der Suche nach einem von diesen Büchern, das Kinder in den Arm nehmen und mit sich herumtragen oder nachts unter ihr Kissen legen — ein Buch, das sie emotional fesselt. Ich wusste nicht, dass alle anderen es abgelehnt hatten. Ich habe es abends mit nach Hause genommen und gelesen. Am nächsten Morgen habe ich es gekauft. Ich hatte keinerlei Zweifel, dass Kinder es lieben würden.“
Was gefiel Ihnen so gut?
Cunningham: Ich fand die Zauberei und die Eulen und all das super — aber was mich wirklich angezogen hat, waren die Freundschaften in der Geschichte. Die eigentliche Qualität war diese Freundschaft zwischen den drei Kindern und die Art und Weise, wie sie sich gegenseitig Mut gemacht haben.
Wie begann die Zusammenarbeit mit Rowling?
Cunningham: Wir trafen uns in einem Restaurant. Sie erzählte mir die Geschichte aller sieben Bücher. Glauben Sie mir, viele kleine Kinder haben mich später Jahrelang fast gefoltert, um sie aus mir herauszubekommen — ich war erleichtert, als das letzte Buch erschien, und ich das Geheimnis nicht hüten musste. Die Tatsache, dass Joanne Harry in den Büchern erwachsen werden lassen wollte, war ziemlich radikal, weil die meisten Kinderbuchcharaktere zu der Zeit einfach weitere Abenteuer erlebten. Aber die Idee hat mir gefallen.
Stimmt es, dass Sie ihr gesagt haben, sie werde mit ihren Büchern nie wirklich Geld verdienen?
Cunningham: Ich habe mir Sorgen um sie gemacht, denn sie war eine alleinerziehende Mutter, und damals konnte man mit Kinderbüchern nicht viel verdienen. Daher gab ich ihr den Rat: Du wirst mit Kinderbüchern nie Geld machen, du brauchst noch einen Nebenjob.
Mussten Sie viel ändern?
Cunningham: Wir haben ein bisschen Lektorats-Arbeit gemacht, aber nur leichte Veränderungen. Vor allem das Spiel Quidditch habe ich nie verstanden — aber das tue ich auch heute noch nicht.
Was war, als das Buch auch bei Erwachsenen gut ankam?
Cunningham: Ich hätte nie gedacht, dass Erwachsene das Buch lesen würden. Das hat die Kinderbuchlandschaft verändert. Es gab plötzlich eine viel größere Leserschaft für Kinderliteratur.“
Woran könnte es liegen, dass auch Erwachsene Kinder- und Jugendbücher lesen?
Cunningham: Ich finde, Kinderbücher haben oft bessere Geschichten als Bücher für Erwachsene. Viele Kinderbuchautoren haben sehr großen Respekt vor ihren Lesern. Sie wissen, dass für schludriges Schreiben oder lückenhafte Handlungsstränge kein Platz ist. Die Bücher müssen wirklich funktionieren. Es steckt irgendwie mehr Disziplin dahinter, die Regie ist besser. Die Autoren kennen ihren Markt und ihre Leser oft besser.