Lesestoff für Wutbürger - Stuttgart 21 im Krimi
Stuttgart (dpa) - Heinrich Steinfest macht keinen Hehl daraus, wo er steht. Je mehr er sich mit dem Milliardenprojekt Stuttgart 21 befasste, desto schlimmer sei das Ganze geworden, erzählt der preisgekrönte Wiener („Gewitter über Pluto“), der seit zwölf Jahren in Stuttgart lebt.
Mit der Zeit sei er selbst zum Bürgerexperten geworden und gegen den umstrittenen Tunnelbahnhof auf die Straße gegangen. Die realen Ereignisse rund um das Projekt literarisch zu verarbeiten, ist Ziel seines Kriminalromans „Wo die Löwen weinen“.
Das Buch kommt an diesem Donnerstag (24.2.) auf den Markt - und ist damit beileibe nicht der erste Lesestoff für Wutbürger, aber vielleicht der ernsthafteste. „Dies ist ein Roman über das Vorhaben, eine Stadt zu ermorden“, schreibt der Träger des Deutschen Krimi Preises und des Heimito-von-Doderer-Literaturpreises im Klappentext. Und: „Nie erschien mir die Form des Kriminalromans passender, zwingender, befreiender.“
Auf keinen Fall will er es aber ins Regal mit zig Regionalkrimis stellen, die es inzwischen zu dem Thema gibt. „Schlossgartensterben“ etwa: Stefanie Wider-Groths Kommissar Emmerich ermittelt in seinem dritten Fall in der buntscheckigen Szene der Projektgegner. Auch der schwäbische Kriminalschriftsteller Klaus Wanninger hat das Thema bereits im „Schwabensommer“ verarbeitet. Auffällig: Auch Wanninger ging bereits gegen das Projekt auf die Straße. Und der Schriftsteller Wolfgang Schorlau war sogar dabei, als am 30. September 2010 im Schlossgarten die Lage zwischen Polizei und Demonstranten eskalierte. Vor seinen Augen wurden mehr als hundert Projektgegner verletzt - woraus sein Buch „Stuttgart 21 - Die Argumente“ entstand.
Mit den Archetypen der schwäbischen Volksseele hingegen befasst sich Wolf Reiser. „Die ganze Wahrheit über Stuttgart 21“ nannte er seinen Essay, der kürzlich erschien. Wie wurde aus der schwäbischen Mücke, dem Umbau eines Bahnhofs, ein Elefant? Was machte aus den eher biederen Schwaben entschlossene Wutbürger? Reiser versucht das Thema weiter zu fassen. Daher heißt sein Buch dann im Untertitel auch „Und wie es mit uns allen weitergeht“.
Heinrich Steinfest hält seinen Kriminalroman „Wo die Löwen weinen“ für ein „engagiertes Buch“ und eine „Liebeserklärung“ an eine Stadt, die selbst bei Stuttgartern ein verbesserungswürdiges Image habe. Der Roman dreht sich um drei Hauptpersonen und einen Hund: Einen Archäologen, der seine große Chance wittert, als bei Probebohrungen für den Tiefbahnhof eine rätselhafte antike Apparatur gefunden wird; einen Durchschnittsbürger, den die Wut auf die Straße treibt; und den Münchner Kommissar Rosenblüt, der seine schwäbische Heimat eigentlich nie wiedersehen wollte. Und weil es eben auch ein politisches Buch ist, stehen Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Ministerpräsident Stefan Mappus (beide CDU) als Symbole - für Filz in der Politik.
Wo die Löwen weinen
Konrad Theiss Verlag
280 S., 19,90 Euro
ISBN 978-3-8062-2423-8