Zauberhaft Lieber Gutes hexen als gut hexen - Die „Kleine Hexe“ wird 60

Stuttgart/Regen (dpa) - Wer partout mit den großen Hexen auf dem Blocksberg tanzen möchte, der muss vor allem eins können: gut hexen. Gutes zu hexen hingegen kommt bei der verschworenen Gemeinschaft um die Oberhexe und die fiese Muhme Rumpumpel gar nicht gut an.

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Wie es der mit zarten 127 Jahren jüngsten Hexe dennoch gelingt, am Ende alle bösen Hexen zum Schweigen zu bringen, für ewig, hat Otfried Preußler (1923-2013) vor 60 Jahren aufgeschrieben. „Die kleine Hexe“ war nicht nur die erste positiv besetzte Hexe in der deutschen Kinderliteratur, das Werk gilt auch als eins der ersten antiautoritären Kinderbücher.

„Petite Sorcière“ heißt sie in Frankreich, „Küçük Cadi“ in der Türkei, „Kleine Heks“ in den Niederlanden. Nach Angaben des Stuttgarter Thienemann-Verlags ist „Die kleine Hexe“ neben dem „Räuber Hotzenplotz“ die bekanntesten Kinderbuchfigur von Preußler. Fünf Millionen Mal wurden die Bücher weltweit verkauft, in 47 Sprachen wurden sie übersetzt. Es gibt etliche Theaterfassungen, Verfilmungen und natürlich Hörspiele und Hörbücher.

Furchtbare Angst vor bösen Hexen sollen Preußlers Töchter eines Abends gehabt haben, antwortete der Autor einst selbst auf die Frage, wie er auf die Idee zu dem Buch gekommen sei. „Ich versuchte, ihnen klarzumachen, dass man sich heutzutage nicht mehr vor Hexen zu fürchten brauche, weil es keine mehr gebe.“ Wie Kinder so sind, ließen die Mädchen ihren Vater nicht vom Haken: Postwendend folgte die Frage, warum es keine mehr gibt.

„Mein Vater hat seine Figuren immer gerne auch an uns drei Schwestern ausprobiert“, erinnert sich Susanne Preußler-Bitsch. Vorgelesen habe er ihnen nie. „Er hat immer frei erzählt.“ Die kleine Hexe lebte fortan quasi unter ihnen. „Wir malten uns aus, was wir selbst alles hexen könnten.“ Für sie sei die Hexe immer eine besondere Figur ihres Vaters geblieben - auch weil sie in allen Kulturen verstanden werde: „Alle Kinder kennen das: Der Wunsch schon zu den Großen zu gehören, trotz Fehlschlägen es erneut zu versuchen; die Welt der Erwachsenen zu erkunden und sich darin zurecht zu finden.“ Auch würden hierarchische Ordnungen von der kleinen Hexe nicht einfach so akzeptiert.

Preußler lasse den Kindern Zeit, Kind zu sein, betont Susanne Helene Becker, Literaturwissenschaftlerin und Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur in München. Zugleich nehme er sein junges Publikum zu jeder Zeit ernst. Was ist gut? Was ist böse? „Das sind ja sehr komplexe Fragestellungen.“ Was heißt es, eine gute Hexe zu sein? Indem sie Böses hext, wie es die Oberhexe will? Oder indem sie Gutes tut? Wie die kleine Hexe, die mit ihrem besserwisserischen Freund, dem Raben Abraxas, den Holzweibern gegen den bösen Oberförster hilft oder einem armen Marktmädchen mit plötzlich duftenden Papierblumen.

Wie ernst Otfried Preußler sein Publikum stets nahm, zeigte sich auch kurz vor seinem Tod, als bei einer Neuauflage Begriffe wie „Negerlein“ aus dem Buch verschwanden. „Das hat mein Vater selbst so gewollt“, erinnert sich die Tochter. Er habe eine besondere Verantwortung seinem jungen Publikum gegenüber empfunden. „Dazu zählte für ihn auch, Bezeichnungen, die mit der Zeit als beleidigend empfunden werden, durch geeignete Wörter zu ersetzen.“ Allein die Ankündigung des Verlags hatte damals heftige Debatten ausgelöst.

Böses soll sie hexen, doch die kleine Hexe tut genau das Gegenteil. Wieder und wieder. Und zur Strafe muss sie das Hexenfeuer auf dem Blocksberg errichten. Doch sie schichtet nicht einfach Holz auf, sondern hext die Besen und Bücher der anderen Hexen zusammen. Auch hext sie ihnen die Fähigkeit des Hexens ab, entzündete das Feuer und tanzt allein drumrum. „Heia Walpurgisnacht. Heia, heia ho.“