Lit.Cologne mit Grönemeyer: „Es muss auch mal kratzen und nerven“

Köln (dpa) - Als „Habermas der deutschsprachigen Popmusik“ war Herbert Grönemeyer wegen seiner „hochliterarischen Songtexte“ von den Veranstaltern angekündigt worden. Doch der Musiker selbst scheint beim Auftakt des Literaturfestivals Lit.Cologne wenig von überbordendem Lob zu halten.

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„Ich warte noch darauf, dass endlich mal jemand feststellt, was für ein merkwürdiger Vogel hinter den Texten steht“, sagte der 58-Jährige am Mittwochabend auf einer Kölner Bühne.

Gemeinsam mit dem Lyriker Michael Lentz soll er zum Start des elftägigen Festivals über seine Liedtexte sprechen, so steht es jedenfalls im Programm. Lentz will das auch erfüllen. Er scheint ganz offensichtlich ein glühender Fan des Popmusikers und dessen Reimen zu sein. „Du stellst deine Texte hinter die Musik bis zum Verschwinden. Das sehe ich anders“, sagt der preisgekrönte Schriftsteller. Oder: „Stehplatz im Schleudertrauma - boah, stark.“

Grönemeyer gibt sich stets überrascht und bescheiden, unterbricht in seinem typisch bollernden Stakkato-Stil mit „Nein?“, „Ha!“, „Äh“ oder „Hömma“ und bekennt dann knapp: „Ich gebe mir schon Mühe beim Texten!“ Wenn ein neues Album anstehe, kaufe er sich ein „Blatt Papier und schöne neue Stifte“, plaudert er weiter und bringt im Laufe des Abends immer mehr Bilder. Eine Platte sei wie ein Abendessen. Da schwinge viel Wärme und Zuneigung mit. Ein Text sei wie ein Anzug, „der muss sitzen, dann bleibt er auch auf der Musik“.

Grundsätzlich sei er eher chaotisch und habe kein Konzept. Abgabefristen und Druck seien aber kein Problem. Ob er denn keine Versagensängste habe, will Lentz wissen. „Hab-ich-nicht“, presst Grönemeyer heraus und geht beim letzten Wort mit der Tonlage hoch. „Ich küsse ja auch nicht jeden Tag gleich gut. Überhaupt bin ich nur ein mittelprächtiger Küsser.“

Um dem Publikum zu zeigen, wie genau seine Texte denn nun entstehen, setzt sich der Musiker nach eineinviertel Stunden Plauderei an einen schwarzen, schick-polierten Flügel. Doch wer nun erwartete, Grönemeyer würde einen Auszug aus seinem neuen Album „Dauernd jetzt“ zum Besten geben, wird enttäuscht. Was folgt, ist die „Bananentechnik“ - „als erstes ist die Musik da, dann wird Zeile für Zeile mit Kauderwelsch-Englisch gefüllt“. „You save me nanananana“, schmettert der Popmusiker ins Mikrofon und greift in die Tasten. Grundsätzlich gelte für ihn immer: „Wenn das Lied weich ist, brauche ich eine kantige Sprache. Es muss auch mal kratzen und nerven.“

Das scheint für einige Zuschauer das Stichwort zu sein, die unterdessen auf Zehenspitzen den Saal verlassen. „Es war ein toller Abend. Man hat viel über Grönemeyer erfahren“, sagt eine Besucherin um die 50. „Aber irgendwann wird der Mann dann auch anstrengend.“