lit.Cologne: Suche nach Antworten auf Lebensfragen

Köln (dpa) - Ein großes Thema für eine große Kathedrale: In der Abschlusslesung des Kölner Literaturfestivals lit.Cologne ging es am Samstagabend um die Grundfragen des Menschen, die Suche nach seinem Woher und Wohin.

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Die Schauspieler Maria Schrader und Matthias Brandt rezitierten aus den „Confessiones“ des christlichen Kirchenlehrers Aurelius Augustinus und dem unvollendeten letzten Roman des Literaturnobelpreisträgers Albert Camus „Der erste Mensch“. Der Veranstaltungsort passte zum Thema: Der Kölner Dom hatte für diese größte Lesung des Festivals seine Türen geöffnet.

Die beinahe 4500 kostenlosen Eintrittskarten waren nach Veranstalterangaben schon Stunden nach Eröffnung des Vorverkaufs vergriffen. Es ist kalt im Dom an diesem Abend. Etwa sieben Grad schätzt ein Kirchenschweizer. Die Menschenmenge, die den Weg in die Kathedrale gefunden hat, stört das nicht. Dick vermummt folgen die Besucher der Lesung, viele auf mitgebrachten Klappstühlen, denn reguläre Sitzplätze gibt es nur rund 1200. Immer wieder brandet Beifall auf für die beiden Schauspieler und das Vokalensemble des Kölner Doms, das mit seinem Gesang die literarischen Passagen stimmungsvoll umrahmt.

Beide Autoren trennen rund 1500 Jahre. Gemeinsam ist Augustinus (354 bis 430) und Camus (1913 bis 1960) ihr nordafrikanischer Hintergrund. Augustinus beantwortet in seinem Werk die Wahrheitsfrage mit seinem Weg von der Gottesferne zur Gottesnähe. Der erklärte Atheist Camus zeigt dagegen die Absurdität des Lebens auf. Aber es gibt Berührungspunkte.

So hatten Augustinus wie Camus etwa eine enge Beziehung zu ihren grundverschiedenen Müttern. Die „Confessiones“ schrieb Augustinus zwischen 397 bis 401, als er Bischof von Hippo im heutigen Annaba in Algerien war. Es gehört zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur und gilt als Autobiografie - ein Genre, das es zu jener Zeit eigentlich noch nicht gab. Ausführlich beschreibt er, wie er seine Mutter belügt und im Schutze der Dunkelheit von Karthago nach Rom reist, wohl wissend, dass diese ihn nicht ohne weiteres hätte fahren lassen. Er beschreibt das allerdings Jahre später, als er sich im Gespräch mit Gott mit der Lüge auseinandersetzt.

Camus, 1913 in Algerien in ärmlichen Verhältnissen geboren, wuchs ohne Vater auf, der 1914 im Ersten Weltkrieg fiel. Im Roman gibt er sich den alias Namen Jacques Cormery, der Name seiner Mutter, 1953 besucht Camus erstmals das Grab des Vaters. Er ist 40 Jahre alt und damit elf Jahre älter als der Vater, von dem er nichts weiß. Niemand aus dem Umfeld des Toten kann sich mehr an ihn erinnern. Cormery (Camus) will mit dem Buch die „arme Familie dem Schicksal der Armen entreißen, das darin besteht, aus der Geschichte zu verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen“. Das Geheimnis der Armut sei es, dass sie den Menschen den Namen und die Vergangenheit raube.

Camus starb am 4. Januar 1960 bei einem Autounfall. In seinem Gepäck fanden sich 144 handgeschriebene Seiten des Romanmanuskripts zu „Der erste Mensch“. Die Familie verhinderte über Jahrzehnte die Veröffentlichung. Erst 1994 gab die Tochter ihre Erlaubnis, 15 Jahre nach dem Tod der Mutter. Das Buch stand monatelang auf den französischen Bestsellerlisten.