Literatur: Ingo Schulze spielt Schöpfer
Der Autor kam zur Lesung von „Adam und Evelyn“.
Düsseldorf. Vielleicht hatte ihn ja Michelangelos berühmtes Fresko in der Sixtinischen Kapelle inspiriert, auf dem Gott per Fingerkontakt Adam Leben einhaucht. Jedenfalls schrieb Ingo Schulze seinen neuen Roman "Adam und Evelyn" in Rom, wo er sich als Stipendiat der Villa Massimo aufhielt. Er hatte gar nicht vor, in der Ewigen Stadt viel zu arbeiten, erzählte er jetzt im Düsseldorfer Kulturzentrum Zakk.
Aber dann legte ihn ein verletzter Fuß lahm, und um beim erzwungenen Herumsitzen nicht dem Gram zu verfallen, nahm er sich vor, jeden Tag tausend Wörter zu schreiben. Das sei ein Grund, warum der Roman in 55 kurzen Kapiteln geschrieben sei.
Die dialoggesättigten Szenen waren für den Autor außerdem eine gute Möglichkeit, die Geschichte von zwei DDR-Bürgern, die den Fall der Mauer im emotionalen Ausnahmezustand erleben, einfach und linear zu erzählen, wie eine Parabel.
Ingo Schulze, einer der international erfolgreichsten deutschen Autoren, ist ein freundlich lächelnder Mensch, der sich selbst mit seinem Schreiben gut zu amüsieren scheint. So wie Adam in seinem Roman hat auch er die Schöpfungsgeschichte in der Bibel mit großem Erstaunen neu gelesen: Von Apfel ist darin ja keine Rede, hingegen davon, dass Gott seine beiden Geschöpfe in Felle kleidete.
Gott als Schneider? So machte der Autor aus seinem Adam eine Schöpfergestalt, der mit selbst kreierten Kleidern Frauen verschönert, sie fotografiert - und dann vernascht. Als Evelyn dahinter kommt, fährt sie allein nach Ungarn, es ist August 1989, das Roadmovie mit historischem Background kann beginnen.
Wenn dieser Seitensprung der Sündenfall ist, meint Schulze dann mit der DDR das verlorene Paradies? So genau will der Autor die Motive der Bibel aber nicht zugeordnet wissen. Es habe sich für ihn beim Arbeiten einfach ein wunderbares Spannungsfeld ergeben, auf der Folie dieses Mythos zu schreiben.
Nach den gelesenen Ausschnitten zu urteilen, muss es für Schulze ein fast spielerisches Vergnügen gewesen sein, immer neue Anspielungen zu erfinden. Wenn etwa Evelyn in Bayern erstmals Leberkäs mit süßem Senf isst und ihren Adam unbedingt davon kosten lassen will, dann wird auch das zu einer "Verführungsszene".
"Adam und Evelyn" ist für den Deutschen Buchpreis nominiert, der nächsten Montag vor Beginn der Frankfurter Buchmesse vergeben wird. Nach "Neue Leben" ist dies der zweite Roman von Ingo Schulze, der in der Endzeit der DDR spielt. Ob das denn für seine Generation noch ein Thema sei, wurde der 46-jährige Autor nach seiner Lesung gefragt.
Oh ja, meinte der, denn es war eine Zeit, in der die Menschen einander viel offener als sonst begegneten, unendlich viel redeten, eine Zeit, als plötzlich alles möglich schien.
Ingo Schulze: "Adam und Evelyn", Berlin Verlag 2008, 320 S., 18 Euro