"Magical Mystery" von Sven Regener: Karl Schmidt, ein Mann nüchtern unter Ravern
Sven Regener schickt in „Magical Mystery“ den Freund von Herrn Lehmann auf Tour.
Düsseldorf. „In Berlin wohnen ist wie Tubaspielen: Hauptsache du pupst ordentlich rum.“ Das schrieb Sven Regener in seinem letzten Roman. Er muss es ja wissen. Marschierte er selbst doch mit 15 Jahren schon als Trompeter im Spielmannszug des Kommunistischen Bundes Westdeutschland, bevor er mit seiner Band Element Of Crime richtig durchstartete.
Auch die Truppe um Raimund und Ferdi im neuen Roman „Magical Mystery“ lässt es ordentlich krachen. Mit Bumm-Bumm-Club in Berlin-Mitte und eigenem Label. Das Geld fliegt ihnen von allen Seiten zu, in einer Zeit, in der die meisten noch „Techno mit drei k schreiben“. Bevor das ganze Rave-Ding aber „so’n Aufreißding für Spanner und Neuköllner Jogginganzugfreaks“ wird, gilt es, neue Trends zu setzen. Warum nicht mit einem Bus auf Tour gehen wie die Beatles? Es gibt nur ein Problem: Der Fahrer muss nüchtern bleiben.
Hier kommt Karl Schmidt ins Spiel, genannt Charlie. Nach drei durchzechten Nächten kam der kurz vor dem Mauerfall in die Klapse und wohnt seit fünf Jahren in Hamburg-Altona in einer therapeutischen WG ohne Alkohol und Drogen. „Ich darf gar nichts mehr“, sagt er, als er den alten Kumpel Raimund zufällig wieder trifft. Charlie ist die Idealbesetzung für den Job.
Ein Road-Trip durch die Republik beginnt. Ziel ist das Springtime-Festival in Essen mit 20000 Ravern. In Köln trifft Charlie nur auf „After-Work-Freaks“, bei denen um 2 Uhr das Licht im Club angeht. In München löst er mit der „Zigarette danach“ im Hotel den Feueralarm aus. In Hamburg übersteht er nüchtern eine Hafenrundfahrt.
Mit Karl Schmidt schickt Sven Regener also den besten Kumpel von Herrn Lehmann ins Rennen. Wer die gleichnamige Trilogie mochte, dem wird auch das neue Buch gefallen. Als Nüchterner unter Verstrahlten meistert Karl alle Probleme. Diesmal durchlebt der Leser nicht die 80er, sondern die 90er. Das liest sich flott, weil alles so aufgeschrieben ist, wie Regener der Schnabel gewachsen ist. Geradeaus, ohne gespreizte Stilfiguren. Leider ist der Plot dünn, das Buch voll von Wiederholungen wie schon die Vorgänger. Das mag Ausdruck einer ganz normal sinnlosen Adoleszenz sein, ist aber ein wenig ermüdend.
Frank Lehmann hat viele Freunde. Der 52-jährige Regener kann noch jede Menge solcher Romane schreiben und wird seine Leser finden. Mit kauzigen Songs bei Element Of Crime aber hat er bewiesen, dass er auch mit wenig Worten wunderbar erzählen kann.