Nicholson Bakers kühne Sexfantasien

New York dpa) - Er kann es also noch. Viele Jahre sind vergangen, seit Nicholson Baker in „Vox“ (1992) erotische Fantasien entfesselte. Auch der Protagonist seines Romans „Die Fermate“ (1994) lässt keine Gelegenheit zu Sex-Eskapaden aus.

Nach Abstechern in die Politik und Geschichte ist der 55-jährige US-Autor jetzt zum pornografischen Genre zurückgekehrt. Sein jüngster Band „Haus der Löcher“ trägt im amerikanischen Original den Untertitel „Book of Raunch“. Das heißt soviel wie „Buch der Schlüpfrigkeiten“ oder „Buch der Obszönitäten“.

Baker nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund. Ebenso wenig zügelt er seine erotischen Imaginationen. Sie sind surreal, grenzen zuweilen ans Groteske. Manches wirkt komisch. Eine Sexkomödie also? Vielleicht. Oder die Träumerei eines alternden Ehemannes und Vaters, der mit der Familie im wilden Maine lebt, nicht weit von der kanadischen Grenze entfernt.

„Die Zeit“ hatte Baker schon 2010 bescheinigt, dass er „...in ihrer Besessenheit durchgeknallte Bücher schreiben kann“. Sie bezog sich damals auf Bakers Debütroman „Rolltreppe und die Herkunft der Dinge“. Auch das „Haus der Löcher“ hat ein solches Lob verdient. Es ist ebenso derb wie amüsant geschrieben, ziemlich verrückt, eben „durchgeknallt“.

In „Vox“ hatte sich Baker auf den Dialog zwischen einem Mann und einer Frau beschränkt: Telefonsex. „Die Fermate“ handelt von einem Akademiker, der die Zeit anzuhalten vermag und in diesen Pausen Arbeitskolleginnen und fremde Frauen in der U-Bahn beglückt.

Auch in „Haus der Löcher“ deutet Baker den Handlungsrahmen nur an: Shandee, eine junge Studentin, findet einen abgetrennten, aber quicklebendigen Arm im Steinbruch. Sie nimmt ihn mit nach Hause, lässt sich von der Hand zärtlich verwöhnen und schließlich in ein Luxushotel locken, das Haus der Löcher.

Dort werden Neuankömmlinge von der Direktorin Lila erst einmal nach ihren geheimsten sexuellen Wünschen befragt. Auf Männer wartet eine Art Autowaschanlage, in der jeder Penis mit Schwammhandschuhen behandelt wird. Seiner erotischen Vorstellungskraft lässt Baker freien Lauf. Mit den Charakteren hält er sich nicht lange auf. Sie unterscheiden sich wenig - bis auf Namen und Lüste.

Umso mehr Zeit widmet Baker dem Vokabular. Sein kruder Wortschatz für die Geschlechtsteile und den Sexakt ist schier unerschöpflich. Viel Aufmerksamkeit schenkt er auch den Lauten, die seine Akteure bei der gegenseitigen oder Solo-Befriedigung von sich geben. Mit der Wiedergabe ihres Grunzens und Stöhnens, der spitzen Schreie sowie dem Geräusch von Körperflüssigkeiten füllt Baker Seiten.

Wer Porno mag, trifft mit „Haus der Löcher“ sicher eine gute Wahl. Baker macht keine Unterschiede zwischen Sexdienern und -empfängern. Jeder hat Spaß bei der Sache, jeder gibt und genießt. Das ist gerecht. Außerdem hat sich Baker auch als Essayist und Verfasser von anspruchsvoller Literatur Ansehen erworben.

In seinem Rückblick „Menschenrauch - Wie der Zweite Weltkrieg begann und die Zivilisation endete“ (2009) ging er mit den Führern der westlichen Alliierten hart ins Gericht und warf ihnen eine gewisse Mitschuld vor. In dem Roman „Checkpoint“ (2004) kritisierte er den Irakkrieg von George W. Bush und beschrieb ein Mordkomplott gegen den damaligen US-Präsidenten. Weitere Titel von ihm lauten unter anderen „Zimmertemperatur“ und „Eine Schachtel Streichhölzer“.

Nicholson Baker: Haus der Löcher, Rowohlt Verlag, Reinbek, 320 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-498-00671-6