Nichts für Harry-Potter-Fans
Fantasy: Catherine Banner könnte die zweite Joanne K. Rowling werden. Jetzt erscheint ihr Roman „Das Lied von Malonia“.
Düsseldorf. Man kann die Geschichte der Catherine Banner so erzählen: Sie ist Engländerin. Sie hat ein Buch geschrieben - ihren Erstling. Der Verlagsriese Random House hat sie sofort zur Vollzeit-Autorin gemacht. In ihrem Buch entdeckt ein Junge seine magischen Kräfte und ahnt, dass er für Großes vorherbestimmt ist. Die Geschichte in der Parallelwelt Malonia ist als Trilogie geplant. Soll heißen: Sie wird die nächste Joanne K. Rowling.
Man kann ihre Geschichte aber auch so erzählen: Sie ist 19 Jahre alt und hat einen erstaunlich vielschichtig gestrickten Fantasy-Roman mit verwobenen Familienschicksalen und ineinander verschränkten Erzählebenen geschrieben.
Über der Geschichte liegen tiefe Trauer, Verzweiflung und Resignation. Sie thematisiert Schreckensherrschaft, Krieg und Tod. Soll heißen: Liebe Harry-Potter-Fans, das könnte euch ganz schön enttäuschen.
Das Leben der Catherine Banner könnte sich in der Tat schon jetzt in ein modernes Märchen à la Rowling verwandeln. Sie hat neben der Schule das fast 500 Seiten starke Buch "The Eyes of a King" geschrieben, trotzdem einen super Abschluss gemacht und sich ein Jahr Auszeit für den zweiten Band der Trilogie gegönnt. Jetzt beginnt sie ihr Englischstudium an der angesehenen Universität Cambridge.
Doch ihr Buch spricht eine andere Zielgruppe an als "Harry Potter". Für Kinder ist die Geschichte viel zu komplex, ernst und düster. Die Hauptfigur Leo North ist 15 Jahre alt und weit vom normalen Alltag eines Teenagers entfernt:
Er muss zur Militärschule, duckt sich vor den Soldaten, die durch die Straßen patrouillieren, durchschaut die Propaganda-Nachrichten in der Zeitung und lernt ein Mädchen kennen, das mit 15 bereits Mutter ist und ebenfalls mehr Sorgen als Zukunftspläne hat. Dann wird auch noch Leos kleiner Bruder Stirling sterbenskrank. Das ist schwere Kost, und sie macht das Lesen mitunter anstrengend.
Ein paar Szenen zum Lächeln, Schmunzeln und Mitfreuen, hätten diesem Leben in Malonia gut getan, und die Charaktere berührbarer gemacht. Leo findet zu Beginn der Geschichte ein Buch auf dem Nachhauseweg, die Seiten sind leer. Doch als er es wenig später ein zweites Mal aufschlägt, sind einige Seiten beschrieben.
Nach und nach erzählt das Buch davon, wie sich der brutale König Lucien an die Macht putschte, und was mit dem rechtmäßigen Thronfolger Prinz Ryan geschah, der die Ermordung seiner Eltern mit ansehen musste. So wie es aussieht, ist der Prinz in ein mythisches Land verbannt worden. Es heißt England.
In diesem England, in dem Magie und Terrorherrschaft auf Fish&Chips prallen, entfesselt die Geschichte ihren eigentlichen Charme. Leider legt Banner auch hier den Schwerpunkt auf die Malonier, die um ihr Reich bangen und es aus der Ferne beobachten, anstatt sich die Zeit zu nehmen, ein paar kuriose Begegnungen dieser beiden Parallel-Gesellschaften zu inszenieren.
Was die 19-Jährige allerdings mit Bravour meistert, ist, in das Seelenleben des 15-jährigen Leo zu tauchen. Er spürt die Magie seiner Vorfahren in sich, doch kann mit niemandem darüber reden. Leos innere Zerrissenheit, sein Grübeln und Leiden nehmen mitunter mehrere Seiten nacheinander in Anspruch.
Passagen wie die folgende sind schon bemerkenswert für eine 19-Jährige, die den Großteil ihrer Teenagerjahre am Schreibtisch verbracht haben muss: "Die traurigen Enden sind die wirklichen Enden, da, wo alles aufhört und das Nichts wie Schimmel über alles kriecht, was einmal schön gewesen ist. Die glücklichen Enden sind überhaupt keine Enden, sondern Anfänge."
Und obwohl Catherine Banner nicht die neue J.K. Rowling ist und auch nicht sein will, ist ihr Erstling ein fruchtbarer Anfang. Die Geschichte hat das Zeug zu einer verschworenen Fangemeinde, zu einem Kinofilm und zu durchgelesenen Nächten. Aber wenn sie nicht ein bisschen an Charme, Doppelbödigkeit und dem Kitzel des Rätselratens gewinnt, wird daraus niemals eine weltweite Hysterie.