Roman "San Miguel":Vom Scheitern der großen Träume
T. C. Boyle erzählt in seinem neuen Roman „San Miguel“ von einer Insel vor Kalifornien — ein untypisches, trauriges, aber großes Buch.
Düsseldorf. Knapp eine Stunde dauert die Fahrt vom Festland zu den Kanalinseln bei bewegter See. „Ich musste mich den ganzen Weg übergeben“, verriet der Schriftsteller T. C. Boyle kürzlich. Dennoch kehrt er auf das Archipel zurück, das er von seinem Haus bei Santa Barbara sieht. Nicht auf Anacapa, wo Boyles letztes Buch („Wenn das Schlachten vorbei ist“) spielte. Aber auf die Nachbarinsel „San Miguel“. Nach ihr ist der neue Roman benannt. Ein Buch über die großen Menschheitsträume und das leise Scheitern.
Im Zentrum stehen drei Frauen. Alle verschlägt es auf die einsame Insel vor der Küste Kaliforniens, auf der es außer Schafen nichts gibt. Sie führen ein Einsiedlerdasein. Von 1888 bis zum Zweiten Weltkrieg spannt sich der Bogen. Zeiten ändern sich. Begehrlichkeiten und Wünsche auch. Die Natur aber bleibt immer die gleiche. Sie ist hart und unmenschlich.
Die schwindsüchtige Marantha ist mit Tochter Edith und Ehemann Will Waters nach San Miguel gekommen. Während ihr Mann mit den Schafen das große Geld machen will, hofft sie durch die Seeluft gesund zu werden. Doch den Elementen ist sie nicht gewachsen. Todkrank muss sie aufs Festland zurück und stirbt. Gegen ihren Willen holt Will seine Tochter Edith aus dem Internat und verschleppt sie auf die Insel. Er braucht eine Köchin. Wird ihr die Flucht gelingen?
Vierzig Jahre später ist es wieder ein Paar das als Pächter die Schafe hüten soll. Herbie und Elise Lester wollen auf San Miguel naturnah existieren. Zunächst lässt sich alles gut an. Während weit weg der Weltkrieg tobt, leben sie ihren Traum. Bis ein unachtsamer Moment die Idylle zerstört. „Sie wusste, dass das Glück sie verlassen hatte. Und sie wusste, dass es nichts aufzubewahren gab, dass am Ende nichts blieb.“
„San Miguel“ ist ein trauriges Buch. Ohne Humor, mit wenig Metaphern. Kein typischer T. C. Boyle auf den ersten Blick. Wie aus dem 19. Jahrhundert mutet dieser konventionell erzählte Roman an. Es gibt weder Sex, noch Freaks. Nur ein paar Flaschen Whiskey. Doch lange schon ist Boyle ein postmoderner Erzähler und nicht mehr der Literatur-Punk. „Dafür bin ich zu alt."
Er, der durchs Schreiben vom Alkohol und den Drogen loskam, ist selbst ein Klassiker geworden. Jeder kann sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, so das Fazit dieses epischen Romanes. Ob er es in der Hand behält aber, darauf hat der Mensch keinen Einfluss.
T. C. Boyle: „San Miguel“, Hanser, 448 Seiten, 22,90 Euro