Schwede Tranströmer mit Literaturnobelpreis geehrt

Die Schwedische Akademie vergibt den Literaturnobelpreis in diesem Jahr an den einheimischen Poeten Tomas Tranströmer. Er ist Schwedens berühmtester Lyriker, doch im Ausland kaum bekannt.

Stockholm (dpa) - Von Kennern lange erwartet, aber doch überraschend: Der diesjährige Literaturnobelpreis geht an den 80-jährigen Dichter Tomas Tranströmer aus Schweden. Er sei „einer der größten Poeten unserer Zeit“, sagte Jury-Chef Peter Englund, als er den Gewinner verkündete. In der offiziellen Begründung der Schwedischen Akademie heißt es, Tranströmer weise dem Leser „in komprimierten, erhellenden Bildern neue Wege zum Wirklichen“. Der Nobelpreis ist der wichtigste Literaturpreis der Welt. Er ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert.

In Schweden gab es Jubel, dass der schwer kranke Tranströmer endlich den Preis bekommt. Manche Experten zeigten sich auch überrascht. In Deutschland ist der Autor von Gedichten wie „Schubertiana“ eher unbekannt. Sein deutscher Verlag Hanser in München war begeistert. Sonst blieb das Echo verhalten. Zuletzt wurde vor 15 Jahren mit der Polin Wislawa Szymborska ein poetisches Werk ausgezeichnet.

Tranströmer selbst freute sich über die „schöne Nachricht“. Bei einer improvisierten Pressekonferenz sagte der behinderte Dichter mit Hilfe seiner Frau Monica Bladh-Tranströmer: „Ich habe vor allem gehofft, dass es diesmal ein Lyriker wird.“ Seit einem Schlaganfall 1990 kann er nur mühsam sprechen.

Auf die Frage, was sie mit dem Preisgeld machen wollten, sagte das Paar: „Das wissen wir nicht.“ Tranströmers Tochter Paula berichtete: „Wir haben als Familie überhaupt nichts vorbereitet. Jetzt müssen wir wohl mal ein paar Vasen für all die Blumen kaufen.“

Jury-Chef Englund sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Man fühlt sich nie bedeutungslos, wenn man Tranströmer gelesen hat.“ Die schwedische Nationalität sei eher ein Handicap für den langjährigen Favoriten gewesen. Er stand seit Jahren auf den Nobelpreislisten. Aber für die Akademie sei es heikel, wenn sie den Ruf bekomme, einheimische Talente auszuzeichnen.

Deutschlands bekanntester Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagte, er kenne Tranströmer nicht. „Ich habe keine Ahnung, wer der Lyriker ist“, erläuterte der 91-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Der österreichische Schriftsteller Raoul Schrott bewundert Tranströmer als „genauen Beobachter“ und „Humanisten“, der „existenziell Überzeitliches“ schreibe. Der dpa schrieb Schrott, die Auszeichnung für Tranströmer sei „ein Zeichen dafür, dass die Poesie als Gattung immer noch Zentrales zu sagen hat“.

Michael Krüger vom Hanser Verlag würdigte Tranströmer in einer Mitteilung: „Du gehörst zu den Meistern der Langsamkeit, den Meistern der Stille und der schmalen Zone zwischen innen und außen.“ Verlagssprecherin Christina Knecht sprach von einer „beglückenden Entscheidung“. „Wir müssen sofort nachdrucken.“ Tranströmers Gedichtbände sind in etwa 50 Sprachen übersetzt worden.

Tranströmer ist der achte Schwede, dem der Literaturnobelpreis zuerkannt worden ist. Insgesamt ist er der 108. Preisträger. Manchmal werden auch zwei Autoren ausgezeichnet, zum Beispiel 1974, als der Preis zuletzt nach Schweden ging: an Eyvind Johnson und Harry Martinson.

Das Gesamtwerk Tranströmers, das als eher unpolitisch gilt, besteht aus weniger als 100 Texten. Der Dichter kommt aus einer Journalistenfamilie und studierte in den 50er Jahren Psychologie, Literatur- und Religionsgeschichte in seiner Geburtsstadt Stockholm. Seinem erlernten Beruf als Psychologe blieb er bis zu einem schweren Schlaganfall im Jahr 1990 treu.

Wer gehofft hatte, der wichtige Literaturpreis gehe 2011 an einen US-Amerikaner, vielleicht sogar an den Rockpoeten Bob Dylan, wurde enttäuscht. Auch die Spekulationen, dass wegen des arabischen Frühlings ein Autor aus Nordafrika oder dem Nahen Osten gute Chancen habe, erwiesen sich als falsch.

Schon wenige Stunden vor der Entscheidung stand Tranströmer überraschend an erster Stelle beim britischen Wettbüro Ladbrokes. Zocker hatten aber auch eine zeitlang Dylan oder den syrisch-libanesischen Poeten Adonis vorn gesehen.

Im vergangenen Jahr bekam der Peruaner Mario Vargas Llosa den Literaturnobelpreis, der seit 1901 fast jährlich vergeben wird. Letzte deutschsprachige Gewinner waren Herta Müller im Jahr 2009, Elfriede Jelinek 2004 und Günter Grass 1999. Grass hatte sich für dieses Jahr den Israeli Amoz Os gewünscht.

Der Literaturnobelpreis wird am 10. Dezember in Stockholm zusammen mit den wissenschaftlichen Nobelpreisen überreicht - dem Todestag des schwedischen Stifters Alfred Nobel (1833-1896).

Nobel war als Industrieller reich geworden und hat unter anderem den Sprengstoff Dynamit erfunden. An diesem Freitag wird der Name des Friedensnobelpreisträgers verkündet. Diese Auszeichnung wird traditionsgemäß in Oslo überreicht.