Science-Fiction mit Biss

Die US-Autorin Ally Condie tritt in die Fußstapfen der erfolgreichen Stephenie Meyers und ihrer „Twilight“-Helden.

Düsseldorf. Die Marketing-Maschine des Fischer Jugendbuch-Verlags (FJB) läuft auf Hochtouren: Leseproben seiner neuen „Cassia & Ky“-Reihe liegen in Buchhandlungen kostenlos an der Kasse.

Die Internet-Versender legen sie geschickt den Käufern von Stephenie Meyers „Biss“-Romanen ans Herz. Auf einer interaktiven Webseite (www.cassiaundky.de) stößt der FJB-Verlag spontane Gruppen (Flashmobs) und Kettengedichte an und verkündet, dass sich Disney bereits die Filmrechte gesichert habe und der Roman in 35 Ländern erscheint.

Die Erregung der Verlagsprofis ist verständlich. Man wittert bei dem vor wenigen Tagen erschienenen ersten Band „Die Auswahl“ eine neue große „All Age-Serie“, mit der sich in den vergangenen Jahren bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen viel Geld verdienen ließ.

Nachdem sich der Carlsen-Verlag mit „Harry Potter“ und den „Biss“-Romanen um Vampir Edward und seine Bella den ertragreichen „All Age“-Serienmarkt gesichert zu haben schien, zog FJB recht erfolgreich mit der amerikanischen Vampir-Reihe „House of Night“ nach. In Kürze erscheint davon bereits der 5. Band. Jetzt soll „Die Auswahl“, der erste Band der „Cassia & Ky“-Trilogie von Ally Condie, in die gleiche Kerbe schlagen.

Die Geschichte ist allerdings schnell erzählt: Cassia, eine ganz normale 17-Jährige, lebt in einer zukünftigen Welt, die ähnlich strukturiert ist wie George Orwells „1984“: Die so genannte „Gesellschaft“ kontrolliert ihre Mitglieder oberflächlich freundlich, aber gnadenlos. Sie teilt die Essensrationen ein, vergibt Arbeitsplätze, legt Freizeitaktivitäten fest.

Vor allem sucht sie für jedes Mitglied der Gesellschaft den perfekten Partner aus — bei einem Paarungsbankett werden sie miteinander bekannt gemacht. Doch bei Cassia klappt das nicht: Sie liebt einen anderen als ihren „perfekten Partner“. Ihre wahre Liebe, Ky, darf jedoch niemals zur „Paarung“ zugelassen werden. Er ist ein Verstoßener. Condie setzt auf das bewährte Muster: verwegener Unbekannter gegen den perfekten Schwiegersohn.

Was eine spannende Geschichte rund um die Funktionen einer Gesellschaft und Einzelschicksale hätte werden können, erweist sich jedoch als eine auch sprachlich arg simpel erzählte Schmonzette, deren Spannung vor allem vom Warten auf den ersten Kuss zwischen Cassia und Ky lebt.

Doch genau das trifft den Sehnsuchts-Nerv junger Mädchen, wie schon die „Biss“-Bücher gezeigt haben. Man kann davon ausgehen, dass sie dahinschmelzen, wenn Ky „leise, fast scheu“ sagt: „Ich glaube an dich. Das ist mehr Glaube, als ich mir je erhofft habe.“

Condie beschreibt „Die Gesellschaft“ bewusst so halbgenau, dass die Leserinnen darin ihren eigenen Alltag spiegeln können: Entscheiden hier nicht auch immer andere, wie man leben sollte?

Der zweite und dritte Band erscheinen jeweils im Jahresabstand. In den Internet-Foren ist das schon Gesprächsthema: „Wie soll ich’s bloß ein Jahr aushalten, bis ich weiß, wie es weitergeht mit Cassia und Ky?“