Taschenbuchtipps

Ostgalizien, ein Dorf namens Werbowitz. Die Menschen dort "schwerfällig, gutmütig, ein bisschen faul und fruchtbar wie seine Erde. Wo man hinguckt: Kinder.

Düsseldorf. Kinder in den Höfen, Stallungen, bei den Tieren, in den Feldern, Kinder, als ob sie jeden Frühling an den Bäumen wüchsen wie die Kirschen." Als neuntes Kind eines jüdischen Bauern wird Alexander Granach dort geboren und folgt früh seiner Neugierde und seinem Freiheitsdrang. Kaum zwölfjährig schlägt er sich als Bäckersgehilfe, dann als Bordell-Türsteher durch, engagiert sich bei Arbeiterstreiks und entdeckt schließlich das Theater, das seine Leidenschaft wird. Ein unbändiger Wille, Sympathie, geballte Lebenserfahrung und hohes Schauspieltalent führen ihn schließlich nach Berlin zu Max Reinhardt; in Murnaus Film verkörpert er Nosferatu. "Da geht ein Mensch" (btb, 9 Euro) - das Leben als Roman, großartig!

Sklaverei ist nach allgemeiner Kenntnis die Ausbeutung Schwarzer durch Weiße. Edward P. Jones hat genauer im eigenen (US-)Staat recherchiert und für das Ergebnis den Pulitzer-Preis erhalten: Sein Roman "Die bekannte Welt" (dtv, 10 Euro) bietet ein Gewebe miteinander verschlungener Lebensgeschichten aus dem Zeitraum zwischen 1800 und 1870, und die zentrale ist die von Henry Townsend, einem Schwarzen, der, von seinem Vater freigekauft, selbst zum Besitzer einer eigenen Plantage samt schwarzen Sklaven geworden ist! Sein plötzlicher, früher Tod stellt die Witwe vor arge Probleme. Das bestens fundierte Werk ist zügig, teilweise spartanisch fast in Form einer Chronik erzählt, Jones lenkt gekonnt hie und da den Spot auf Schlüsselszenen und entfaltet so das Panoptikum einer Zeit der Zerrissenheit, an deren Ende die Abschaffung der Sklaverei steht.

"Gezeichnet: Franz Klett" (Serie Piper, 10 Euro) handelt von einem Gezeichneten; Autor Egon Gramer beschreibt die Leidensgeschichte eines Altersgenossen als Triptychon. Der erste Teil spiegelt die Ödnis eines Dorfes im Schwäbischen wider: wo einst der Dorftreffpunkt war, ist heute ein seelenloses Betonrund. Bei "Fleckenrunden" erinnert sich das Alter Ego des Autors, Helmut, an den Schulkameraden von einst Franz Klett: überhelle, vorwitzig, extrem - Motto "Istdochmiregal". Wie das Leben dieses Menschen scheitert, liest sich zwischen den Zeilen; erschütternd dokumentieren dies im zweiten Teil die knappen Tagebucheintragungen des zum Trinker gewordenen Klett und im abschließenden Part drei die Eindrücke des jungen Klett, als er sich der städtischen Oberschule verweigert und ins Dorf zurückkehrt, wo sein Sohn Jahre später Versöhnung stiftet.