„Vom Winde verweht“ wird 75
Atlanta (dpa) - Die Hauptperson sollte „Pansy“ und das Buch „Trage Deine schwere Last“ heißen. Doch die junge Schriftstellerin namens Margaret Mitchell (1900-1949) überlegte es sich noch einmal anders.
Sie machte aus Pansy „Scarlett“, benannte die Plantage „Fontenoy Hall“ in das Gut „Tara“ um und fand auch einen neuen Titel für das Buch: „Gone with the Wind“ (Vom Winde verweht) - es ist eine der erfolgreichsten Storys der Literaturgeschichte. Am 30. Juni wird das Buch 75 Jahre alt.
„Ich möchte einmal berühmt sein. Als Redner, Schriftsteller, Künstler, Kämpfer oder Politiker oder so etwas“, soll die junge Margaret schon mit 14 Jahren gesagt haben. Damals war in Europa gerade der (Erste) Weltkrieg ausgebrochen, doch in den Südstaaten war ein anderer Krieg noch gegenwärtig, von dem es jede Menge Veteranen gab: der amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865). Er prägt den Süden bis heute.
Nach einem Reitunfall nutzte Mitchell die Genesungszeit: „Sie schrieb ein Buch, aber immer nur ein Kapitel, das sie dann in der Wohnung versteckte“, sagt Joanna Arrieta, die heute da arbeitet, wo Mitchell früher schrieb. „Dabei fing sie mit dem letzten Kapitel an und arbeitete sich zum Anfang vor.“ Und das mühsam. Die alte Remington, auf der sie mit nur zwei Fingern tippte, steht heute noch im Margaret-Mitchell-Haus in Atlanta. „Schulkinder fragen mich immer wieder, wie man mit dem Ding falsche Wörter wieder löschte.“
Der Roman handelt von der eigenwilligen Südstaatenschönheit Scarlett und dem egozentrischen Charmeur Rhett, die sich nach vielem Hin und Her in den Kriegswirren schließlich... - doch nicht kriegen. Als sie endlich erkennt, dass sie ihn will, antwortet er nur: „Meine Liebe, es ist mir gleichgültig.“ Immerhin endet der Roman nicht ohne Optimismus: „Morgen ist ein neuer Tag“, lautet der letzte Satz.
Vieles von Scarlett war Margaret. Auch sie war zu spät ans Sterbebett der Mutter gekommen, auch sie war zwischen zwei Männern hin- und hergerissen. Neben ihrem zweiten Mann John Marsh, der sie liebte und unterstützte, war da noch der gut aussehende, aber windige Berrien Upshaw. Der hatte übrigens einen Spitznamen: Red.
„Vom Winde verweht“ kostete 1936 satte drei Dollar, nach heutigem Geldwert etwa 50 Dollar. Dennoch wurden bis Weihnachten eine Million Exemplare verkauft. Und damit nicht genug: Seit 75 Jahren wird der Roman ununterbrochen publiziert, eine Auflage folgt der nächsten. Auf der ganzen Welt war es ein Bestseller. Das heißt, fast: Bei den Nazis war es ebenso auf dem Index wie später in der DDR und heute in einigen muslimischen Staaten. Grund: zu amerikanisch.
Dabei mögen auch Kommunisten das Buch. Als der chinesische KP-Funktionär Zhou Qiang im April Atlanta besuchte, war sein einziges privates Ziel das Mitchell-Haus. Wie er kommen jedes Jahr Zehntausende, gerade auch aus Deutschland, um in Mitchells Wohnzimmer zu stehen. „Wir haben das Manuskript des Films“, sagt Arrieta. „Jeden Tag stehen hier Leute und spielen Szenen aus dem Film nach. Manche mit Tränen in den Augen.“
Ach ja, der Film. Der kam drei Jahre nach dem Buch und war schon in Farbe. Und er ist längst Legende. Fast 400 Millionen Dollar spielte er ein. Das wäre heute noch ein Knüller, aber damals kostete eine Kinokarte statt 18 nur einen viertel Dollar. Inflationsbereinigt liegt die „Gone with the Wind“-Verfilmung immer noch weit vor „Avatar“ oder „Titanic“. Der Gouverneur von Georgia schien das geahnt zu haben: Er hatte den Tag der Premiere zum Feiertag erklärt.
Mitchell wurde reich, spendete aber auch viel. Und sie wurde ständig verklagt. So wollte einer viel Geld von ihr, weil der Nebensatz „Sherman ist tot“ eigentlich von ihm sei. Mitchell wohnte zeitlebens im Zentrum von Atlanta. Hier fuhr sie im August 1949 auch ein Betrunkener an. Fünf Tage später starb sie. Seitdem vergeht kein Tag, an dem nicht frische Blumen auf ihrem Grab liegen.