Von Hunden und Menschen
Der US-Bestseller „Die Geschichte des Edgar Sawtelle“ ist ein großes Epos über einen stummen Hundezüchter.
Düsseldorf. Ein Mann, ein Hund, eine rote Scheune. Schon ist man drin in der "Geschichte des Edgar Sawtelle", einem bemerkenswerten Debütroman, den man nicht mehr aus der Hand legen will, wenn man sich einmal in seinen Kosmos begeben hat. Denn der US-Amerikaner David Wroblewski schildert darin anschaulich, anrührend und detailreich das Schicksal des 14-jährigen stummen Edgars, der auf einer einsamen Ranch im mittleren Westen der USA aufwächst, auf der Hunde gezüchtet werden. In den USA war das Buch, eine Mischung aus Familiendrama und Abenteuerbuch, der Überraschungshit des vergangenen Jahres und hat sich dort allein 1,5Millionen Mal verkauft.
Edgar ist von Geburt an stumm, aber nicht taub. Seine Behinderung kompensiert er durch eine große Sensibilität, was sich auch in seinem Verhältnis zu den Hunden spiegelt. Mit der Hündin Almondine wächst er auf, und mittlerweile versteht sie sogar die Zeichensprache des Jungen. Mit zunehmendem Alter beteiligt sich der Junge an der Hundezucht der Eltern. Sie züchten sogenannte Sawtelle-Hunde, eine neue Rasse: Die Mischung aus Schäferhund und Pitbull wird nicht von optischen Kriterien bestimmt, sondern die guten Eigenschaften, vor allem Kommunikation und Gemeinsinn, werden bei der Rasse zunehmend ausgeprägt.
Edgar wächst harmonisch, wenn auch etwas einsam auf. Erst als Claude, der Bruder von Edgars Vater, unvermutet auftaucht, kommt es zu Streitigkeiten. Kurz darauf liegt der Vater tot in der Scheune. Edgar glaubt nicht an einen natürlichen Tod und fürchtet Claudes Rache. So bricht er mit drei Hunden auf in die Wildnis. Vor allem dieser mittlere Teil des 700-Seiten-Romans ist spannend und offenbart die Qualitäten des 50-jährigen Autors: Er kann sich gut in seine Figuren hineinversetzen, und gleichzeitig gelingt ihm eine magisch überhöhte Naturbeschreibung, die zunehmenden Sog entwickelt. Selbst durch die Augen eines Hundes schildert er manche Kapitel, was nie peinlich wirkt, sondern fasziniert.
"Das große Epos aus dem Herzen Amerikas": Tatsächlich hat das Werk viele Qualitäten, die es in die Nähe großer Erzählliteratur des 19. Jahrhundert rücken. Es behandelt große Motive wie Rache, Schuld, Vergeltung, Brudermord und Vaterverlust und ist gleichzeitig so flüssig und elegant geschrieben, mal lakonisch, mal bildhaft-magisch aufgeladen. Manche zu ausufernde Beschreibung der Hundezucht nimmt man da in Kauf. Mit den literarischen Anspielungen auf "Das Dschungelbuch" und auf Shakespeares "Hamlet" - auch hier schleicht sich der Mörder des Vaters ins Bett der Mutter - geht der Autor ganz offen um. Hin und wieder streut er einige übersinnliche Ereignisse ein, die Gott sei Dank so selten sind, dass sie nicht das ganze Buch esoterisch wirken lassen.
Wroblewski, der zehn Jahre neben der Arbeit als Informatiker an dem Buch gearbeitet hat, ging es darum, das Verhältnis Mensch und Hund, "eine großartige und rätselhafte Beziehung", wie er sagt, in einen größeren Kontext zu stellen. "Am Ende werden wir, um bessere Hunde zu züchten, bessere Menschen werden müssen", heißt es im Buch.