Wird die Buchpreisbindung geopfert?
Die Buchhändler machen gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA mobil.
München. Normalerweise sieht man gefüllte Bücherregale, wenn man ins Schaufenster der Münchner Buchhandlung von Regina Moths schaut. Illustrierte Romane, Bilderbücher, Bände mit Kunst und Fotografie. Doch im Oktober hatte sie die Fenster für eine Woche mit Protestplakaten zugeklebt. „Hier sollen weiterhin Bücher ausliegen“, stand darauf und „Verhindern wir TTIP!“. Regina Moths fürchtet, dass mit dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, dem sogenannten TTIP-Abkommen, auch der bisherige Stabilitätsanker im deutschen Buchmarkt zur Debatte stehen könnte: die Buchpreisbindung.
Die Buchpreisbindung sorgt dafür, dass Händler in Deutschland Bücher nur zu dem vom Verlag festgesetzten Preis verkaufen dürfen. Das gilt für kleine Buchhandlungen ebenso wie für Amazon und Co. Mit dem Freihandelsabkommen, so fürchten Händler, könnte diese Preisbindung in Gefahr geraten. Die EU und die USA haben sich unter anderem darauf verständigt, sogenannte tarifäre Handelshemmnisse abzubauen. Als solches könnten sie auch die Buchpreisbindung sehen.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bemängelt die fehlende Transparenz und fühlt sich weder von der EU noch von der Bundesregierung richtig informiert. Von allen Seiten werde zwar beteuert, die Buchpreisbindung werde nicht angetastet. „Konkrete Belege oder Garantien für eine tatsächliche Entwarnung gibt es jedoch nicht“, heißt es vom Börsenverein.
Aber wofür ist die Buchpreisbindung überhaupt gut und was würde es bedeuten, wenn sie wegfiele? „Ursprünglich war die Idee: Die Buchpreisbindung soll die kulturelle Vielfalt und die Vielfalt der Buchhandlungen sichern“, erklärt der Wettbewerbsökonom Prof. Justus Haucap von der Universität Düsseldorf. „Heute, wo man so gut wie jedes Buch im Internet bestellen kann, ist fraglich, ob die Preisbindung dafür noch notwendig ist.“ Viele Buchgeschäfte sorgten nicht unbedingt dafür, dass viele Menschen Zugang zu Büchern haben, lautet Haucaps Argumentation.
In Deutschland kommen laut Börsenverein pro Jahr etwa 80 000 neue Titel auf den Markt. Möglicherweise könnte sogar der steigende Absatz der E-Books die Zahl auch ohne Buchpreisbindung aufrechterhalten.
Moths würde das aber wohl nicht helfen: „Wenn die Buchpreisbindung fällt, stehen wir vor der Gefahr, dass die Sortimente für unabhängige Buchhandlungen immer mehr ausgedünnt werden, weil Verlage sich exklusivere Projekte schlicht nicht mehr leisten würden.“
Von einem Wegfall der Buchpreisbindung profitieren würden voraussichtlich große Internethändler wie Amazon. Für einen harten Preiskampf dürfte das US-Unternehmen bestens gerüstet sein. Zur Frage, wie Amazon zur deutschen Buchpreisbindung steht, wollte sich das Unternehmen auf Anfrage allerdings nicht äußern.
Dass sich auch für Verbraucher einige Dinge ändern würden, da sind sich Ökonomen und Buchhändler einig. Experte Haucap ist überzeugt: „Buchhändler würden den Wettbewerb auch über den Preis führen und das bedeutet: Die Buchpreise würden sinken.“ Klingt logisch — doch die Erfahrung lehre etwas anderes, halten Verlage und Händler dagegen.
In der Schweiz wurde die Buchpreisbindung 2007 abgeschafft. „Das Ergebnis: Im Schnitt sind Bücher sogar teurer geworden, denn bei weniger nachgefragten Titeln erhöht sich der Preis“, sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Das Ergebnis wären demzufolge billige Bestseller und teure Nischenliteratur. Skipis hält stationäre Buchhändler aber noch aus einem anderen Grund besonders schützenswert: „Buchhandlungen verkaufen nicht nur Bücher — es sind Kulturvermittlungsstellen und sie haben damit auch eine gesellschaftliche Aufgabe.“
Und da scheint der Kern des Problems zu liegen: „Wenn man sagt: Wir wollen die kleinen Buchhandlungen schützen, dann ist die Buchpreisbindung wichtig“, erklärt Haucap. „Wenn man aber sagt: Wir wollen, dass sich mehr Menschen mehr Bücher leisten können, dann sollten wir die Buchpreisbindung aufheben. Was wichtiger ist, wäre sicherlich eine spannende politische Frage.“
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