Abschied vom „stringenten Moralisten“ Lenz

Hamburg (dpa) - In einer bewegenden Trauerfeier haben rund 1000 Menschen, darunter der Literaturnobelpreisträger Günter Grass (87) und Altbundeskanzler Helmut Schmidt (95), im Hamburger Michel dem Schriftsteller Siegfried Lenz die letzte Ehre erwiesen.

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„Er hat sich selbst einen Schriftsteller genannt, aber hinter dem Schriftsteller blieb ein Philosoph einigermaßen verborgen, und in dem Philosophen steckte ein stringenter Moralist“, sagte Schmidt am Dienstag über seinen langjährigen Freund „Siggi“. Der Autor der „Deutschstunde“ war am 7. Oktober im Alter von 88 Jahren in Hamburg gestorben.

Siegfried Lenz sei leise mit seiner Moral geblieben und habe sie dem Leser nicht aufgedrängt. „Und noch heute gilt: Man kann sie annehmen, man muss es aber gar nicht. Für Loki und für mich war Siegfried Lenz der Ombudsmann des menschlichen Anstandes“, sagte Schmidt. „Gemeinsam ist uns die Tugend der Gelassenheit gewesen. Und gemeinsam ist uns immer das Bewusstsein der eigenen Verantwortung gewesen.“

Der Hauptpastor der St.-Michaeliskirche, Alexander Röder, leitete die religiöse Feier mit Musik von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy, die auch live im NDR-Fernsehen übertragen wurde. Neben dem mit weißen Rosen und Lilien geschmückten Eichensarg stand ein Schwarz-Weiß-Foto des Autors mit Pfeife.

„Siegfried Lenz war ein zutiefst demokratischer Schriftsteller, der Vernunft und Humanität immer wieder aufs Neue in der Vielheit ihrer Stimmen gesucht hat“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). „Seine Erzählungen zwingen uns zum genauen Blick und mahnen uns, einander zuzuhören“, sagte Scholz. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nannte Lenz einen großen Künstler, der stets den kleinen Leuten verbunden blieb. „Siegfried Lenz war ein leiser und doch deutlich vernehmbarer Streiter für Moral, Vernunft, Anstand, Respekt und Menschlichkeit.“

Der Oberbürgermeister der polnischen Stadt Elk, Tomasz Andrukiewicz, würdigte die Verdienste des Schriftstellers um die deutsch-polnische Versöhnung. Lenz hatte seiner Heimatstadt Elk, dem masurischen Lyck, in seinen Werken ein literarisches Denkmal gesetzt.

Auf Wunsch der Witwe Ulla sprach zum Abschluss der Freiburger Schriftsteller Karl-Heinz Ott sehr persönliche Worte: „Man fühlte sich neben dir nicht nur an dem Tisch aufgehoben, an dem man saß, sondern ein bisschen sogar im Leben überhaupt, zumindest solange du in der Nähe warst.“

Mit Romanen wie „Deutschstunde“ und „Heimatmuseum“ sowie humorvollen Bänden wie „So zärtlich war Suleyken“ gehörte Lenz neben Heinrich Böll und Günter Grass zu den großen Nachkriegsautoren. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die Aussöhnung insbesondere mit Polen und Israel gehörten zu seiner Lebensaufgabe.

Im Sommer 2014 hatte Siegfried Lenz eine Stiftung gegründet, die sein literarisches Werk aufarbeiten soll und am 14. November in Hamburg zum ersten Mal den mit 50 000 Euro dotierten Siegfried-Lenz-Preis an den israelischen Schriftsteller Amos Oz verleiht. Sein persönliches Archiv geht an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach.