Abi-Stoff auf der Theaterbühne
Stadttheater haben die Schulen fest im Blick. Und passen ihren Inszenierungen an die Themen an.
Düsseldorf. Der Oberstufenlehrplan hält manchmal sogar für einen gestandenen Theatermacher noch etwas bereit. Sven Schlötke, Leitungsmitglied am Theater an der Ruhr in Mülheim, entdeckte darin Koeppens Roman „Tauben im Gras“ als Prüfungsstoff und machte sich an die Lektüre. Und er las nach 20 Jahren nochmals Goethes „Iphigenie auf Tauris“, woraus dann eine Produktion mit dem Regisseur Albrecht Hirche erwuchs.
Es ist kein Geheimnis, dass die Stadttheater mit einem Auge auf die Lehrpläne der Schulen schauen. So verzeichnet die Werkstatistik des deutschen Bühnenvereins für „Don Carlos“ einen Anstieg der Inszenierungen von sieben auf 14 und der Vorstellungszahl von 173 auf 293 in den Spielzeiten 2006/07 und 2007/08, als Schillers Drama Abiturstoff wurde.
Nichtsdestotrotz geht jeder Stückentscheidung, betont Schlötke, das „künstlerisch-inhaltliche Interesse“ des Hauses und der Regie voraus. Wenn sich das mit den Lehrplänen deckt, umso besser. In dem am Markt orientierten Bildungssystem könne das Theater andere Wahrnehmungsformen nahe bringen, ohne als Lehrender aufzutreten. Und dabei das leisten, was im besten Sinne als ästhetische Bildung zu verstehen sei.
Die Konjunktur des Begriffs „Kulturelle Bildung“ steht zwar eher für das Versagen der Politik in Sachen Bildung und Integration. Dem Theater hat sie jedoch neue gesellschaftliche Legitimation verschafft. Der Ausbau der Theaterpädagogik und die Lehrplan-Stücke sind da ein Indikator. Wer dahinter nur Quotenbringer vermutet, liegt falsch. Zwar steigt mit den Schulklassen die Auslastung, die billigen Eintrittspreise schmälern jedoch die Einnahmen.
Von Seiten der Schule wird das Engagement begrüßt. An der Düsseldorfer Dieter-Forte-Gesamtschule gehen alle Jahrgangsstufen regelmäßig ins Theater. Schulleiterin Margret Rössler sieht gerade im „Nichtdidaktischen“ des Theaters den großen Gewinn für die Schüler. Der direkte Zugang führe oft zu „Aha-Erlebnissen“ bei den Schülern.
Noch weiter geht man am Goethe-Gymnasium, das über ein eigenes Theaterfestival und Theaterklassen verfügt. Derzeit arbeite man, so Direktorin Renate Glenz an einem Wahlpflichtbereich „Darstellendes Spiel“. Beide Schulleiterinnen können sich in Sachen Curriculumsstücke durchaus eine noch engere Zusammenarbeit vorstellen. Beide Schulen sind mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus durch den Pakt „Theaterfieber“ verbunden.
Auch Intendantin Amélie Niermeyer hat keine Berührungsängste gegenüber Dramen des Lehrplans, sofern diese in den Spielplan passen. So standen in Düsseldorf „Don Carlos“, „Dantons Tod“ oder „Woyzeck“ auf dem Spiel- und Lehrplan. Niermeyer stellt sich die Frage, „wo sich Bildung und Kunst überschneiden“. Und ob sogar das „Theater als Bildungsstätte oder Sozialarbeit“ fungiere. Curriculumsstücke ja oder nein, ist nicht mehr die Frage. Theater ist längst Teil des Bildungssystems geworden, weil es wie kein anderes Fach Wahrnehmung, Dialogfähigkeit und Kreativität schulen kann.