Aufführung: Im Wohnzimmer der braunen Mörder
Die NSU-Morde haben Deutschland erschüttert. In Braunschweig setzt sich ein Theaterstück mit dem Fall auseinander.
Braunschweig. Sie essen Naturjoghurt, lesen Bestseller, zelten an der Ostsee und ermorden Menschen ausländischer Herkunft sowie eine Polizistin. Die Theaterbar, eine Schauspielstätte des Staatstheaters Braunschweig, wurde am Sonntag zum Wohnzimmer der rechten Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Das Publikum honorierte das Stück „Unter Drei“ mit minutenlangem Applaus. Das Uraufführungsprojekt ist eine Kooperation mit dem Ballhaus Ost Berlin und dem Theater Rampe in Stuttgart.
Regisseurin Mareike Mikat bringt Terroristen und Zuschauer ganz nah zueinander, die Rechten begrüßen die Theaterbesucher per Handschlag, servieren ihnen Apfelstücke. Wegschauen geht nicht, eine Auseinandersetzung ist unausweichlich. Anders als im konkreten Fall sind es auf der Bühne zwei Frauen und ein Mann, die sich zu den grausamen Morden bekennen. Und Eva Bay, Gina Henkel und Andrej Kaminsky machen es dem Publikum leicht, ihnen zu folgen. Sie stellen die drei Rechtsextremen glaubhaft als sympathische Mitmenschen mit teuflischer Überzeugung dar.
Die Regisseurin erzählt keine geschlossene Geschichte. Die Personen werden umkreist, aber auch Mikat fasst sie nicht, kann nicht erklären, wie sie wirklich ticken. Kaleidoskopartig bringen die Akteure zahlreiche Facetten der Täter und Opfer auf die Bühne: Die möglichen Gedanken der Toten, das Leid der Hinterbliebenen, das Alltagsleben der Terroristen in Zwickau mit familiären Aspekten, Kritik an den Fahndungsmethoden der Polizei und des Verfassungsschutzes, die durch die Wende verloren gegangene gewohnte Sicherheit, das Netzwerk der rechten Szene.
Die Zuschauer sitzen in zwei Reihen an den Längsseiten des Raumes, in der Mitte agieren die Schauspieler. An einer Stirnseite steht ein spießiges Sofa, auf dem die drei immer wieder Platz nehmen. An der anderen Stirnseite werden auf einer Leinwand mal Bilder aus Fernsehnachrichten-Sendungen gezeigt, mal verkörpern die Darsteller in einem Schattenspiel hinter der Wand die Opfer. Das Stück setzt einiges an Vorwissen voraus.
Mikat, 1978 in Frankfurt/Oder geboren, wagt sich an den Stoff mit Textfragmenten der 1985 in Weimar geborenen Olivia Wenzel heran. „Es hat mich persönlich aufgeregt, wie in den Medien mit der Zwickauer Terror-Zelle umgegangen wurde“, sagt sie zur Motivation für das Stück. „Insbesondere der Begriff Döner-Morde in vielen Medien hat mich schockiert.“