Bach trifft Breakdance
Sechs Berliner interpretieren das „Wohltemperierte Klavier“ — demnächst auch in Düsseldorf.
Bonn. Sie springen wie ein Gummiball über den Tanzboden, dann rucken, zucken und moonwalken die sechs Berliner Jungs, alle mit Migrations-Hintergrund, wie es Neuhochdeutsch heißt. Plötzlich drehen sie zig Pirouetten, auf dem Kopf stehend, auf der Schulter oder auf einer Hand.
Manchmal kreisen sie dabei noch in atemberaubendem Tempo mit gegrätschten Beinen um ihre eigene Achse. Und da alles nicht etwa zu lärmendem Hip-Hop, sondern zu den Klängen des „Wohltemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach.
Dieses spektakuläre Tanz-Event, das wegen seiner ansteckenden Mischung aus hehrer Klassik und Straßenkultur 2010 mit dem Klassik-Echo ausgezeichnet wurde, geht nun als „Red Bull Flying Bach“ auf Europatournee.
Den Auftakt absolvierten die lässigen Virtuosen der „Flying Steps“-Kompanie an einem ungewöhnlichen Ort: im Plenarsaal des früheren Bundestages.
Die Zuschauer aus vier Generationen machen es sich auf den früheren Abgeordnetensitzen bequem, während die Breakdancer in quietschenden Turnschuhen und mit Baseballkappen den strengen Rhythmus der Barockmusik mit akrobatischen Turn- und Tanz-Sequenzen untermalen.
Die vierfachen Breakdance-Weltmeister, die in Berlin eine eigene Tanzschule betreiben, machen sich ihren Reim auf Bach, indem sie präzise auf perlende Rhythmus und versunkene Melodien reagieren und dabei ihre sehnigen Körper in die Lüfte schrauben.
Unter dem Bundesadler musizieren der Pianist und Regisseur Christian Hagel und die Cembalistin Sabina Chukurova die Sätze des Bach-Meisterwerks, an einigen Stellen werden sie unterbrochen von elektronischen Beats. Thema, Variationen, rasantes Allegro und Presto — das gesamte musikalische Vokabular machen die Flying Steps mit ihren athletischen Kunststücken sichtbar.
Selbst kontrapunktische Rhythmen kommen auf den Punkt — so cool und überschäumend zugleich wurde Bach kaum je vertanzt.
Der Leipziger Thomas Kantor wäre vermutlich zunächst verblüfft gewesen, dann hätte er amüsiert oder zumindest mit einem Augenzwinkern reagiert. Vielleicht hätte er sogar so viel Spaß daran gehabt wie die knapp 1000 Hip-Hop- und Klassikfans.