Salzburger Festspiele: Es glänzen die Dirigenten
Peter Stein und Riccardo Muti werden für ihren „Macbeth“ bejubelt, Christoph Loy erntet Buhs für die „Frau ohne Schatten“.
Salzburg. Oberammergau oder Verona blicken neidisch auf Salzburg. Denn das Kostüm- und Natur-Spektakel, das Peter Stein jetzt in der barocken Felsenreitschule in Szene setzte, würde wunderbar zu Passionsspielen oder historischer Ausstattungsoper passen. Der 74-jährige Theater-Titan führt in Verdis „Macbeth“ in die schottischen Wälder des 12. Jahrhunderts.
Dort treiben weiß getünchte Hexen an dampfenden Kesseln ihr Unwesen. Ritter in mittelalterlicher Rüstung und machtgierige Könige gehen über Leichen und erobern mit Blut und Eisen die Krone. Feinnervige psychologische Deutung des Königsmörders Macbeth und seiner wahnsinnigen Lady, die ihn zu Bluttaten anstiftet? Fehlanzeige.
Stein will nicht interpretieren, sondern „Fakten auf der Bühne“. Und er bietet Rampensingen, gruselige Geisterbeschwörung auf einem Mühlrad, Hin- und Herjagen von hochgerüsteten Kriegern und Scharen von Flüchtlingen. Szenen, die an Nazarener-Malerei der Romantik erinnern. Trotz ausufernder Länge von beinah vier Stunden gefiel’s den Zuschauern: Sie bejubelten Sänger, Regie-Team, Wiener Philharmoniker und Riccardo Muti.
Der Maestro (70) nimmt als Operndirigent mit dieser Premiere nach 41 Jahren Abschied vom teuersten Festival der Welt. Und er entlockte den Wiener Philharmonikern noch einmal federnden Belcanto, geölten Klangzauber, zündenden Blitz und Donner. Der Sound fügt sich glänzend zu dem Abend voller Theaterblut. Zwar stritten sich Regisseur und Dirigent öffentlich um die Ballettmusik vor dem dritten Akt: Sturköpfe und Altmeister sind beide, Stein und Muti. Und sie haben ihren Preis; so musste wohl an Sängern gespart werden.
Nur der samtig fließende Bassbariton des Serben Zeljko Lucic (Macbeth) und der lyrische Tenor von Giuseppe Filianoti (Macduff) überzeugten. Tatjana Serjan als Lady Macbeth erging sich in Stummfilm-Posen und rackerte sich mit flackernden Höhen ab.
Wie anders doch die Szenerie und die Reihe von hochkarätigen Sängern wenige Tage zuvor im Großen Festspielhaus! Da empfahl Christof Loy vor der Premiere von Richard Strauss’ „Frau ohne Schatten“: Programmheft vorher lesen! Ein nervender Ratschlag und Zumutung für das finanzkräftige Publikum, darunter die Thyssens, Porsches, Bauknechts, Oetkers, Präsidenten und Kanzlerin Merkel.
Doch ohne Studium dieser Anleitung — einer persönlichen Inhaltsangabe des Regisseurs — war der fünfstündige Abend nicht zu verstehen. Die Szene hatte nichts mehr mit der verschachtelten Psychologie der „Frau ohne Schatten“ zu tun, erinnerte vielmehr an eine konzertante Aufführung von „Szenen einer Ehe“.
Verbissen verweigerte sich Loy einer Inszenierung der wohl farbigsten Märchenoper um eine Kaiserin, die keine Kinder bekommt und keinen Schatten hat und die beides der Frau eines Färbers abkaufen will.
Loy machte daraus eine Beziehungsklamotte unter Sängern in den Wiener Sophiesälen — und erntete dafür einen Buh-Orkan. Ovationen gab es aber für Christian Thielemann, der der Monsterpartitur einen flirrenden Farbreichtum abhorcht, grelle Wucht und zarte Poesie herausdeutet. Mit den Wienern beschert er den Zuschauern ein akustisches Großereignis, das auch den Festspielpreisen angemessen ist.
Alle „Macbeth“-Aufführungen sind ausverkauft, für die „Frau ohne Schatten“ gibt es noch einzelne Karten.