„Die (s)panische Fliege“: Slapstick mit Sophie Rois
Berlin (dpa) - Er ist 60 und in diesem reifen Alter einer der aufsehenerregendsten Nachwuchsregisseure der Saison: Herbert Fritschs neue Inszenierung „Die (s)panische Fliege“ feierte am Mittwochabend Premiere an der Berliner Volksbühne.
Damit kehrte der langjährige Volksbühnen-Schauspieler an seine alte Wirkungsstätte zurück - wo er unter anderem als der Mann galt, der sich immer auf der Bühne auszieht. Schauspieler wie Sophie Rois („Drei“), ChrisTine Urspruch („Tatort“), Wolfram Koch, Bastian Reiber und Inka Löwendorf machten aus dem im Jahr 1913 uraufgeführten „Fliege“-Schwank eine Mischung aus Witz-Parade und Edel-Boulevard. Das Publikum hatte seinen Spaß und tobte vor Begeisterung.
Andere Regisseure mögen die großen Menschheitsthemen Glaube, Liebe, Hoffnung, Tod, Macht, Krieg und Globalisierungskrise auf der Bühne verhandeln. Fritsch setzt dagegen auf die pure Lust am Spiel. Und dieses Mal servierte er Slapstick in senfgelb.
Zweifelhafte Helden der Geschichte sind der Mostrichfabrikant Klinke (Koch) und seine in knallgelb gewandete, sittenstrenge Ehefrau Emma (Rois). Die heimliche Hauptrolle spielt aber natürlich die spanische Fliege - ein Käfer, aus dem früher ein Potenzmittel hergestellt wurde, und eine gleichnamige Varieté-Künstlerin, mit der Klinke und so manch anderer Herr einmal eine Affäre hatte.
Jetzt droht dieses Geheimnis aufzufliegen und die ganze bürgerliche Scheinwelt zu entlarven. Frei nach dem Theaterstück von Franz Arnold und Ernst Bach lässt Fritsch seine Schauspieler als eine punktgenau inszenierte Schar von Knallchargen auftreten. Kein noch so ausgetretener Witz wird auf dem riesigen Teppich liegen gelassen, den Fritsch über die ganze Bühne ausgerollt hat.
Mit unglaublicher Körperbeherrschung und extrem präziser Sprache stolpern, stottern, hüpfen und wanken die exzellenten Schauspieler auf den Spuren von Komikern aller Zeiten und Genres - von Buster Keaton und Charlie Chaplin bis zu Louis de Funès und Dieter Hallervorden. Ein in den stilisierten Perserteppich eingebautes Trampolin verleitet die Darsteller zu weiteren komischen Höhenflügen. Die Körperlichkeit, die Fritsch als Schauspieler selbst auf der Bühne lebte, fordert er auch von seinen Spielern ein.
Zu den Stars des Abends gehört Sophie Rois, die aus ihrer formidablen Schrei- und Kreisch-Rolle der zickigen Sittenwächterin alles rausholt. Wolfram Koch, ebenso grell geschminkt wie die anderen Darsteller, legt sich im buchstäblichen Sinn ständig lang. Ganz große Auftritte hat auch Bastian Reiber als verliebter, tollpatschiger Jüngling, der zwischen alle Fronten gerät. Nur eine kleine, aber feine Rolle als vermeintliche „Fliege“ hat ChrisTine Urspruch, bekannt als Gerichtsmedizinerin „Alberich“ aus dem Münsteraner „Tatort“.
Einen tieferen Sinn muss man in der „(S)panischen Fliege“ gar nicht erst suchen. Fritsch geht es um Unterhaltung pur. Zwei pausenlose Stunden gibt es Gags und Wortwitz am laufenden Band. Fritsch, der mit gleich zwei Inszenierungen zum diesjährigen Theatertreffen deutschsprachiger Bühnen in Berlin eingeladen war, zeigt, dass er die große Show beherrscht - auch wenn die unterschwellig nachdenklichen Töne fehlen, die aus einem Theaterabend ein sogenanntes nachhaltiges Erlebnis machen.