Streit bei Festspielen Bad Hersfeld: Wedels Luther-Uraufführung geglückt
Bad Hersfeld (dpa) - Star-Regisseur Dieter Wedel sorgt erneut für Gesprächsstoff. Aufmerksamkeit bekommt der angesehene Filmemacher („Der Schattenmann“) in der Regel für seine preisgekrönten Produktionen.
Gesteigert wurde die Neugier auf Wedels neues Theaterwerk über Martin Luther aber durch einen Eklat kurz vor Beginn der 67. Bad Hersfelder Festspiele am Freitagabend. Schnell wird daraus eine Schlammschlacht.
Nur einen Tag vor der mit Spannung erwarteten Premiere feuerte Wedel (74) einen seiner Hauptdarsteller. Burgschauspieler Paulus Manker, ein Ausnahmekönner und „Enfant terrible“ im Metier, sollte in der Uraufführung von „Martin Luther - Der Anschlag“ eine von vier Rollen des Kirchenreformers verkörpern.
Doch wegen eines „irreparablen Zerwürfnisses“ mit Intendant Wedel wurde eine kurzfristige Umbesetzung notwendig. Unruhe kam im Ensemble auf, enormer Zeitdruck entstand. Und die bange Frage: Wird der Rollenwechsel zur untragbaren Belastung? Geht die Geschichte schief?
Die Antwort: Die Uraufführung gelang. Die rund 1200 Premieren-Gäste und Promis in der Stiftsruine spendeten dem knapp dreistündigen, sehenswerten Stück viel, aber keinen übermäßigen Applaus. Christian Nickel bestand die Herausforderung, zwei zentrale Rollen zu spielen, mit Bravour. Er gab nicht nur den „Reformator“, sondern auch den „Wutbürger“, den Manker passenderweise verkörpern sollte.
Manker versorgte seinerseits nach seinem Rauswurf die Medienvertreter mit E-Mails zwischen ihm und der Festspielleitung. Ein bereits von Ende Mai stammendes Schreiben gleicht einer Abrechnung mit Wedel und seinen Methoden. Manker, berühmt geworden mit dem Film „Schlafes Bruder“, erhebt darin schwere Vorwürfe gegen Wedel und stellt dessen Führungsstil in Frage. Wedel herrsche wie eine „nordkoreanischer Diktator“, der „wochenlang Angst und Schrecken“ bei seinen Schauspielern verbreite, kritisiert Manker.
Der Schauspieler hatte schon zum Probenbeginn im Gespräch mit Medienvertretern einige Extravaganzen durchblicken lassen. Über Fragestellungen machte er sich lustig, gab sich als Provokateur.
Wegen des aufgestauten Ärgers und der großen Anspannung schoss Wedel nun nach der Premiere zurück. Er nannte Manker eine „bösartige, ausdünstende Maschine“. Die Schimpftirade ging noch weiter: Wedel sprach von „Unverschämtheiten“, „Frechheiten“, „sexistischen Attacken“ und „Pöbeleien“. Und er räumte mit Blick auf Manker ein: „Viele haben mich vor ihm gewarnt. Man darf einen Wutbürger nicht mit einem Wutbürger besetzen - das habe ich jetzt gelernt.“
Der Eklat wirft aber auch die Frage nach Wedels Umgang mit Schauspielern auf. Angesprochen auf seinen Führungsstil sagte der Gescholtene: „Über mich werden auch Schauergeschichten erzählt, aber ganz so schlimm kann es ja nicht sein, wenn all die Leute seit Jahren mit mir arbeiten wollen.“ Vielen Schauspielern - das hört und sieht man - scheint es tatsächlich eine Ehre, mit Wedel zu arbeiten. Für sie ist er ein virtuoser Ausnahmekönner, von dem sie sich Impulse für ihre Entwicklung und Karriere erhoffen.
So sagte Schauspieler und Regisseur Peter Weck als Premierengast über Wedel: „Er weiß, was er will und setzt es durch. Aber ich fand die Zusammenarbeit mit ihm immer hervorragend. Er beherrscht die Materie.“ Hauptdarsteller Christian Nickel verwies darauf, dass es im Theater halt Hierarchien gebe. Wedel verfüge aber über eine gewisse Autorität und fordere einiges ein. Er habe sich aber nie unangenehm von Wedel zurechtgewiesen gefühlt. Mit Wedel und Manker seien zwei starke Persönlichkeiten aufeinander geprallt.
Moderatorin Mareile Höppner („Brisant“, ARD), die in Film-Einspielern im Luther-Stück zu sehen war, befand: „Wedel ist ein sehr beeindruckender Mann, der mit viel Energie sein Stück umsetzt. Er könnte das mit so vielen Menschen niemals schaffen, wenn er nicht forsch die Dinge umsetzt. Ich habe ihn aber als sehr liebevollen Mentor erlebt, der sehr bemüht mit seinen Schauspielern agiert. Viele wollen gern wieder mit ihm arbeiten. Dass er mit viel Temperament bei der Sache ist, macht ihn doch so wunderbar.“
„Wunderbar“ war auch das Wort, das häufig nach der Luther-Premiere im Zusammenhang mit Christian Nickel fiel. In 48 Stunden musste er sich Mankers Rolle aneignen. „Ich habe mich auch gefragt, wie das in so kurzer Zeit gehen soll. Aber in Ausnahmesituationen schafft man mehr als man glaubt“, sagte Nickel. Und Wedel meinte: „Das Stück wäre mit vier statt drei Luther-Darstellern besser gewesen. Aber so ist es auch gegangen. Christian Nickel ist ein ungeheurer Schauspieler. Ich bin ihm dankbar, dass er dies mit dieser Geschwindigkeit zuwege gebracht hat.“ Eindruck hinterließ im stark besetzten Ensemble zudem Joern Hinkel. Der stellvertretende Intendant und Wedels Assistent spielte Mankers Rolle als Luthers Vater überzeugend.
Wedel zeigte ein unkonventionelles, provokantes und kirchenkritisches Theaterstück zum Jubiläum von 500 Jahren Reformation. Mit den verschiedenen Luther-Darstellern gelang es ihm, die Widersprüche in der Figur deutlich zu machen. Zudem wurde eindrucksvoll gezeigt, wie religiöser Wahn, Fanatismus, das Ringen um Macht damals wie heute zu blutigen Konflikten geführt haben.