Broadway-Boom: Stars lassen Kassen klingeln

New York (dpa) - Jetzt hat es also Al Pacino erwischt. Der Schauspiel-Superstar aus „Der Pate“ und „Scarface“ bekommt zu spüren, dass am harten New Yorker Theatermarkt ein großer Name nichts zählt.

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Ein „fucking disaster“ (eine „verdammte Katastrophe“) sei das Drama „China Doll“ mit ihm in der Hauptrolle. Das schrieb zumindest die oft etwas plakative „New York Post“ nach den ersten Voraufführungen. Der „New York Times“-Kritiker Ben Brantley fasste seinen Theaterbesuch schlicht zusammen mit: „Jetzt habe ich Kopfschmerzen.“

Die Zuschauer beeindruckt das alles aber sowieso nicht. Tickets für die Vorabaufführungen verkauften sich hervorragend, 1,1 Millionen Dollar (1,0 Millionen Euro) spielten laut „New York Times“ allein die ersten sechs Previews vor zwei Monaten ein. Noch immer liegt der Umsatz pro Woche regelmäßig im siebenstelligen Bereich - wie auch bei einigen anderen Aufführungen zieht der große Name. Viele Broadway-Besucher freuen sich schlicht darüber, Film- und Fernsehstars auf der Bühne zu sehen.

Allein in den letzten zwölf Monaten gab es Hugh Jackman als Ehebrecher in einer einsamen Waldhütte zu sehen, Helen Mirren als Queen Elizabeth oder aktuell Lupita Nyong'O („12 Years a Slave“) in einem Drama über den Bürgerkrieg in Liberia. Und selbst im Musical versuchen sich Stars, teils mit großem Erfolg. Neil Patrick Harris - Frauenheld Barney aus „How I met your Mother“ - spielte in „Hedwig and the Angry Inch“ eine transsexuelle Rockerin in der DDR der 80er-Jahre - die Kritik war begeistert.

Die große Starpower ist ein Grund dafür, dass Theater und Musicals im Zentrum Manhattans so gut dastehen wie nie zuvor. Fast 1,4 Milliarden Dollar (knapp 1,3 Milliarden Euro) wurden in der Saison 2014/15 eingespielt. 13,1 Millionen verkaufte Tickets sind laut Zahlen der Broadway League, einem Lobby-Verband für 40 Theater in New York und 200 weitere in anderen Städten der USA, ebenfalls ein nie zuvor erreichter Wert. Seit Jahren kann die Branche einen Rekord nach dem anderen melden, selbst die so wichtigen Sportteams in der Stadt und im angrenzenden New Jersey habe man überholt. Man habe mehr Besucher als die zehn professionellen Vereine in American Football, Basketball, Baseball und Eishockey zusammen, rühmt sich die League.

Äußeres Kennzeichen des Erfolgs ist der Wandel des inoffiziellen Marktplatzes im Theaterbezirk: Times Square. Dort, wo noch in den 80er Jahren Prostituierte und Drogenbanden die Straßen bevölkerten, bestimmen nun ein riesiger M&M's-Laden, Menschen in Micky-Maus-Kostümen und der immer fröhliche, nur mit Slip und Gitarre bekleidete „Nackte Cowboy“ das Straßenbild. Aus einem Ort mit dem von manchen geschätzten rauen New Yorker Charme sei ein Themenpark geworden, beklagen Kritiker. Die meisten Einheimischen machen inzwischen einen Bogen um das Viertel, doch 70 Prozent der Theatertickets werden ohnehin an Touristen verkauft.

Darüber hinaus sei aber auch das Angebot der Theater deutlich vielfältiger geworden, sagt Charlotte St. Martin, Vorsitzende der Broadway League, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Disney kam 1994 und war attraktiv für Teenager“, erklärt sie mit Blick auf die damals startenden Aufführungen von „Die Schöne und das Biest“ und dem bis heute laufenden „König der Löwen“. „Dann wurden die Themen vielfältiger. Es gibt heute große Aufführungen, kleine, etwas für jedes Geschlecht. Dieses Jahr haben wir sogar ein Musical mit Taubstummen.“

Die Promidichte hat laut ihrer Beobachtung in den letzten Jahren deutlich zugenommen. „Das liegt an den „Limited Runs“, den kurzen Laufzeiten bei den Theaterstücken“, erklärt St. Martin mit Blick auf die teils nur auf wenige Wochen angesetzten Aufführungen der Stars. Solche Laufzeiten seien erst seit einigen Jahren Teil der Spielpläne, zuvor waren Engagements für eine komplette Saison üblich. „Als Film- oder Serienstar können sie aber nicht zwölf Monate am Stück an den Broadway gehen“, sagt St. Martin.

Angesichts solcher Umstände und Einspielergebnisse tun die negativen Kritiken für einige der prominent besetzten Stücke kaum weh. Und noch einen weiteren Trost gibt es für Pacino. Er ist nicht der erste und sicher nicht der letzte Superstar, den die Ablehnung der New Yorker Kritiker trifft.

Auch der „Stirb Langsam“-Held Bruce Willis ist derzeit im Theater zu sehen. Auch er bekam sein Fett weg. Er spielt die Hauptrolle im Thriller „Misery“, einer Bühnenadaption des Erfolgsfilms mit James Caan und Kathy Bates. Zufriedenstellen konnte auch das die Kritiker nicht. In der „New York Times“ hieß es: „Ihnen wird eher in einer lauwarmen Badewanne ein Schauer über den Rücken laufen.“