Debatte um Rassismus am Theater
Berlin (dpa) - Ein weißer Schauspieler, der einen Farbigen spielt und sich dafür schwarz anmalt - ist das Rassismus? Altprofi Dieter Hallervorden hat mit der Inszenierung der US-Tragikomödie „Ich bin nicht Rappaport“ an seinem Berliner Schlosspark Theater im Internet eine erbitterte Diskussion darüber ausgelöst.
In tausenden Beiträgen bekriegen sich die Nutzer auf der Facebookseite des Theaters gegenseitig. „Absetzen!“ fordern die einen, „Dummes Geschwätz von Ewiggestrigen“, sagen die anderen.
Das Stück ist eher harmlos-sentimental. Zwei alte Männer, Nat und Midge, treffen sich regelmäßig auf einer Parkbank im New Yorker Central Park, um über Gott und die Welt und die Probleme des Alters zu reden. Schon bei der deutschen Erstaufführung 1987 spielte Joachim Bliese den farbigen Midge. Damals war sein Partner Bernhard Minetti, heute ist es Dieter Hallervorden.
„In meiner Gedankenwelt ist absolut kein Platz für Rassismus“, versicherte der 76-jährige Theaterchef in einer persönlichen Erklärung. In den bisher etwa 40 deutschsprachigen Aufführungen habe erst zwei Mal ein Farbiger den Part gespielt, auch diesmal habe man keinen geeigneten schwarzen Darsteller gefunden. „Wo ist 2012 das Problem, das es bis 2010 nicht war?“, fragt er.
Auslöser der Internet-Schlacht war das Premierenplakat, das Hallervorden kiffend und den schwarz bemalten Bliese glupschäugig grinsend zeigt. Die ersten Kritiker im Netz fühlten sich an die rassistische Tradition des „Blackfacing“ im Amerika des 19. Jahrhunderts erinnert: Weiße Schauspieler malten sich damals mit Ruß oder Schuhcreme an und spielten so den angeblich naiven und immer fröhlichen „Neger“.
Der schwarze Schauspieler Leander Graf von „Label Noir“, einer Gruppe afro-deutscher Schauspieler in Berlin, kann den Vorwurf des Rassismus nachvollziehen. „Die Zeiten sollten vorbei sein, wo wir die Hautfarbe als ein Zeichen für das Anderssein nehmen“, sagt der 31-jährige Berliner. Auch er wünsche sich, als Afro-Deutscher ganz selbstverständlich „weiße“ Rollen spielen zu können.
Dabei ist die Diskussion nicht neu. So löste 2009 Günter Wallraff mit seiner Undercover-Reportage „Schwarz auf Weiß“ ein geteiltes Echo aus: Dunkel geschminkt, war er mit einem Kamerateam monatelang als Somalier Kwami Ogonno quer durch Deutschland unterwegs, um latentem oder offenem Rassismus auf die Spur zu kommen. Die schwarze Autorin Noah Sow kritisierte damals: „Er äfft unterdrückte Minderheiten nach und erntet damit Geld, Aufmerksamkeit und sogar Respekt.“
Der Filmemacher Spike Lee, Aushängeschild des New Black Cinema in den USA, griff das Thema satirisch in seinem Film „Bamboozled“ auf. Dabei geht es um einen TV-Unterhaltungschef, der den Quoten zuliebe eine Show mit geschminkten, augenrollenden Weißen ins Leben ruft, die „Bimbos“ darstellen sollen.
Und das Deutsche Theater in Berlin musste kürzlich seine für den 22. Januar geplante Premiere von Bruce Norris' Stück „Clybourne Park“ sogar absagen, weil es die Rolle der schwarzen Francine mit einer weißen Schauspielerin besetzt hatte. Der US-Autor entzog dem Theater daraufhin die Aufführungsrechte.
Hallervordens Haus hält an seiner Inszenierung dagegen fest. Bis zum Sommer steht „Rappaport“ regelmäßig immer wieder auf dem Spielplan. „Wenn wir mit unserer Entscheidung Menschen verletzt haben, so war dies nie unsere Absicht“, versicherten Regisseur und Theaterleitung. „Dieses Stück wendet sich gegen Rassismus und wir tun es auch.“