Die drei Kassenmagneten
In das Jahr 2010 fallen runde Geburtstage von Chopin, Schumann und Mahler.
Düsseldorf. Wer nach dem größten Komponisten aller Zeiten fragt, bekommt schnell zur Antwort "Mozart" oder "Bach", oft fällt auch der Name "Beethoven". An der Konzertkasse sieht die Welt aber etwas anders aus.
Ein Klavierabend mit Bach und Mozart lockt zwar eine feine kleine Gemeinde an, doch wenn ein Pianist vor großem Publikum spielen will, tut er gut daran, auch Stücke von Frédéric Chopin (1810-1849) oder Robert Schumann (1810-1856) aufs Programm zu setzen. Über einen ähnlichen Magnetismus verfügen die Symphonien und Orchesterlieder des Österreichers Gustav Mahler (1860-1911). Die "Symphonie der Tausend" oder die "Fünfte" mit ihrem traumverlorenen "Adagietto" schlägt beim Kartenverkauf selbst Beethovens "Eroica" um Längen.
In dieses Jahr fallen runde Geburtstage dieser musikalisch zwar ungleichen, aber gleichermaßen beliebten Komponisten. Chopin wäre in den kommenden Tagen 200 Jahre alt geworden, (sein Geburtsdatum ist nicht eindeutig gesichert). Mahler würde heuer 150 werden. Eines haben sie neben ihrer Popularität gemeinsam: sie sind Vertreter der Romantik, und diese Musikepoche des 19. und frühen 20. Jahrhunderts machte mehr Furore als irgendeine Ära zuvor.
Chopin sagte einmal: "Das Klavier ist mein zweites Ich." Fast ausschließlich hat er für das Tasteninstrument komponiert. Wilde Stücke sind dabei wie die "Revolutionsetüde" oder der verstörend ins Ungewisse rasende Finalsatz der 2. Klaviersonate. Dann gibt es Verträumtes wie die "Nocturnes". Chopin komponierte oft virtuos: Die Etüden op.10 und op. 25 sind bis heute harte Prüfsteine für Pianisten geblieben.
"Hut ab, ein Genie!" schrieb Robert Schumann in der von ihm selber gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik über Chopin. Den scheuen Polen soll Schumanns Euphorie etwas irritiert haben. Der deutsche Komponist war ein anderer Charakter als Chopin: weniger fein, aber nicht minder genial. Schumanns Musik klingt nicht so elegant wie die Chopins, besitzt dafür aber Dimensionen, die in Chopins Musikreich wiederum unbekannt sind. Wer den innigsten und geheimnisvollsten Schumann kennenlernen will, sollte sich das Lied "Mondnacht" anhören.
Der Erfolg Gustav Mahlers kam vergleichsweise spät, in den 60er Jahren, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod. Doch seitdem scheint die Begeisterung für den Spätromantiker ungebrochen. Die Klangsprache ist kühn, komplex und oft dissonant - eigentlich nicht das Erfolgsrezept zur Gewinnung eines breiten Publikums. Mahler mischt Verstörendes mit Leichtem, Chaos mit Harmonie - vielleicht geht gerade vom Wechselbad der Gefühle eine besondere Faszination aus. Mahlers Vater war ein Haustyrann, worunter der Sohn unsagbar gelitten haben muss.
Die Familie wohnte in der Nähe einer Kaserne, aus der regelmäßig lustige Militärmusik drang. Diese paradoxe Gleichzeitigkeit von Qual und heiteren Klängen verarbeitete Mahler musikalisch, indem er munter musizierende Fernorchester einsetzte, deren Klang sich sarkastisch ins ernste vom Hauptorchester gespielte Geschehen mischt. Am Erfolg Mahlers wie auch an dem von Chopin und Schumann kann man erkennen, welche Magie die romantische Epoche noch auf unsere nüchterne Zeit ausübt.