Duato zeigt „Dornröschen“ klassisch statt modern

St. Petersburg (dpa) - Der spanische Star-Choreograf Nacho Duato hat an seiner neuen Wirkungsstätte in St. Petersburg als erster Ausländer in Russland den Ballettklassiker „Dornröschen“ inszeniert.

Die russische Kritik sprach von enttäuschten Erwartungen, das Publikum nahm die Premiere des kostümreichen Märchenballetts mit der Primaballerina Swetlana Sacharowa am Michailowski-Theater aber begeistert auf. „Ich will keine Traditionen ändern in Russland“, sagte der 54-jährige Duato in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in St. Petersburg.

Kritiker bemängelten, die Neubearbeitung des Balletts von Peter Tschaikowsky enthalte statt Duatos typischem modernem Barfuß-Tanz zu viele Zitate der Uraltchoreografie von Marius Petipa. Der Milliardär Wladimir Kechman, der das Theater leitet, hat den Avantgardisten als Ballettchef engagiert, um neben der Tradition des klassischen Spitzentanzes eine neue Tanzsprache in Russland zu etablieren. Für Aufsehen sorgte zuletzt auch der Wechsel der beiden Solisten Natalia Ossipowa und Iwan Wassiljew vom weltberühmten Moskauer Bolschoi Theater an das Stadttheater in St. Petersburg.

Nach fast einjähriger Arbeit an dem Haus mit den 160 Tänzern zieht Duato eine positive Bilanz. Er hatte im Januar 2011 als erster Ausländer seit rund 100 Jahren die Leitung eines renommierten russischen Ensembles übernommen. Duato hat als Erster seit dem Abgang des französisch-russischen Tänzers Marius Petipa (1818-1910), Vater des klassischen russischen Balletts, eine solche Funktion.

„Die Russen sind die besten Tänzer der Welt. Natürlich gibt es gute Tänzer überall. Aber hier werden sie schon von klein auf mit Ballett konfrontiert. Sie wissen, was es heißt, ein Tänzer zu sein.“ Makellose Körper und Haltung seien die Markenzeichen. „Sie haben das im Blut seit so vielen Generationen. Vielleicht sind sie ein bisschen gefangen in ihrer klassischen Tradition. Und sie brauchen jemanden, der sie zu neuem Leben erweckt. Aber sie sind fantastisch.“

Duato, der zu den bedeutendsten zeitgenössischen Choreografen gehört, lobt insgesamt die Bedingungen in Russland. Anders als in Spanien oder Deutschland gebe es keine starken Gewerkschaften und Tarifverträge. „Wer kreativ ist, kann sich nicht auf eine bestimmte Tageszeit begrenzen. In Russland ist das viel einfacher. Aber natürlich muss es hier auch eine Regelung geben, weil die Russen zu viel arbeiten.“

Duato zeigte sich glücklich, in St. Petersburg ein neues künstlerisches Zuhause zu haben. Kechman, der viel eigenes Geld in die Sanierung des Theaters gesteckt habe und einen Teil des Programms finanziere, sei in der russischen Kultur eine absolute Ausnahmeerscheinung. „Er hätte sein Geld auch in eine große Jacht investieren oder sich ein Fußballteam kaufen können. Aber er gibt es für Theater aus, für Oper und Ballett. Das ist unglaublich.“