Folk zwischen Trauer und Ironie

Der Songwriter Vic Chesnutt ist an einer Überdosis Beruhigungsmitteln gestorben.

Athens/Georgia. Seine Melodien sind melancholisch, die Texte erzählen von Schmerz und Trauer, sind bitter-ironisch. Am Freitag starb der amerikanische Songwriter und Folk-Musiker Vic Chesnutt im Alter von 45 Jahren - Berichten zufolge an einer Überdosis Beruhigungsmitteln. Er fiel ins Koma und starb am Weihnachtstag in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Georgia. Die "Washington Post" berichtete am Sonntag unter Berufung auf einen Sprecher der Hinterbliebenen, dass Chesnutt sich offensichtlich das Leben nehmen wollte. In einem Interview der "Los Angeles Times" hatte der Folkmusiker vor Kurzem geklagt, dass er nicht mehr wisse, wie er seine Arztrechnungen begleichen solle. "Ich habe immer gezahlt, aber jetzt habe ich nichts mehr und weiß einfach nicht, was ich tun soll."

Es sind traurige Geschichten, die Chesnutt mit seinen Songs erzählt, düstere Szenarien, die er beschreibt. "Ich bin frei von Hoffnung, frei von der Vergangenheit", heißt es in "Free Of Hope". Viele seiner Songs sind autobiografisch, andere sind rein fiktional. Welche Songs Einblick in seine eigene Lebensgeschichte gaben, war auch Kritikern nicht immer klar, wie Chesnutt einmal in einem Interview beklagte.

Mit 18 Jahren fuhr Chesnutt betrunken an einen Baum und war seitdem gelähmt. Auf seiner MySpace-Seite erklärte er später, der Autounfall 1983 habe ein völlig neues Verständnis von Musik in ihm ausgelöst. Mit 25 nahm er mit Hilfe seines Mentors Michael Stipe von R.E.M., der ihn im gemeinsamen Wohnort Athens in Georgia getroffen hatte, sein erstes Album auf. Das sei für ihn der Beginn des Erwachsenwerdens gewesen. "Bevor ich mein erstes Album veröffentlichte, war ich ein Gammler", sagte Chesnutt in einem Interview. "Ja, ich war ein richtiger Penner. Aber Michael Stipe wollte, dass ich meine Songs aufnehme, bevor ich sterbe. Er rettete mir so das Leben."

Es folgten weitere Alben, auf denen Chesnutt Trauer abarbeitete, aber auch mit großartigem Sarkasmus glänzte. Mit dem 1996 veröffentlichten Album "Sweet Relief II: Gravity Of The Situation" mit Coverversionen von Chesnutts Songs, gespielt von prominenten Interpreten wie Garbage, R.E.M., Soul Asylum, Smashing Pumpkins oder Madonna, fand Chesnutt Gehör bei der Masse.

Erst kürzlich tourte er noch mit seiner Vic-Chesnutt-Band, an der auch mehrere Mitglieder kanadischer Musikgruppen sowie der Gitarrist Guy Picciotto von der Punkband Fugazi beteiligt waren. 2004 war er im Rahmen der Ruhrtriennale in Essen zu hören, in diesem Jahr hat Chesnutt noch zwei Alben veröffentlicht.