Freilufttheater: Ein „ungeheuer heutiger“ Kaiser
Dieter Wedel bringt den Stauferherrscher Friedrich II. in Worms bei den Nibelungen-Festspielen auf die Bühne.
Worms. Anouschka Renzi knabbert Eiswürfel, Heinz Hoenig wedelt mit einem schwarzen Fächer, auch Alexandra Kamp greift auf diese Kühlhilfe zurück: Die ersten Proben für die Nibelungen-Festspiele in Worms stehen im Zeichen der Hitze.
Intendant Dieter Wedel, der zum sechsten Mal in Worms Regie führt, beschäftigt sich in "Teufel, Gott und Kaiser" mit dem Stauferkaiser Friedrich II. (1194-1250). Doch was hat der mit den titelgebenden Nibelungen zu tun? Dieses Problem erledigt Wedel keck mit der Unterzeile: "Improvisationen über eine Zeit, in der das Nibelungenlied entstand". Friedrich II ist für ihn "eine der faszinierendsten Figuren der deutschen Geschichte überhaupt - und merkwürdigerweise gibt es über den kein Theaterstück".
Eine Aktion beeindruckt den Intendanten ³besonders: Friedrich hat Jerusalem eingenommen, und keiner ist dabei getötet worden. "Er hat sich mit dem Sultan verständigt - das klingt ungeheuer heutig."
Auch die vielfältige Bildung und Wissbegier des Herrschers, der arabische Lehrer und großes Interesse an ihrer Kultur hatte, hebt Wedel hervor. Der Forscherdrang machte allerdings nicht vor dem Leben halt. "Er hat einen Menschen in ein Fass eingesperrt und darin sterben lassen. Dann hat er das Fass wieder aufgemacht und geguckt, ob die Seele da irgendwo ist", sagt Wedel. Sein Fazit: "Ein sehr widersprüchlicher Mensch", der wahrscheinlich vergiftet worden sei.
Diese Widersprüchlichkeit empfindet auch Schauspielerin Anouschka Renzi (45). "Ich glaube, der war nicht ganz dicht", meint sie mit Blick auf das Tonnen-Experiment. Andererseits sei es toll, wie er den Kreuzzug beendet habe. Ihr Kollege Heinz Hoenig (58) sagt: "Das ist ein wichtiger Sektor, den wir zeigen wollen: Dass es ohne Schwert geht, Glaubensrichtungen zusammen an einen Tisch zu setzen."
Wedel, der in diesem Jahr ein deutlich knapperes Budget hat, hat kein neues Stück parat, sondern erzählt die Geschichte anhand von Teilen verschiedener Dramen. Derzeit spielen die zehn Schauspieler - darunter Meret Becker, Dirk Bach und Peter Striebeck - aus mitgebrachten Büchern vor: Texte von Walther von der Vogelweide oder Shakespeare. "Wir haben festgestellt, für nahezu jede Situation gibt es in der großen dramatischen Literatur ein Beispiel", erklärt Wedel.
Während die Schauspieler ihm beim Honorar entgegenkamen, bereitet ihm die knappe Zeit bis zur Premiere am 16. Juli Sorgen. "Nach 14 Tagen können wir nicht fertig sein, es kann nur eine Station sein." Die Proben gingen auch dann noch weiter - "bis zur letzten Aufführung".