Hauptmanns Premiere "Die Ratten" im Schauspielhaus

Regisseur Lösch führt in Düsseldorf geschickt das Schauspiel vor und gibt Alleinerziehenden das Wort.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Das ist doch mal ein Spielplan: Die Fußballnationalmannschaft tritt auf, Spielberg und Silbereisen, Heino singt Heino und Helene Fischer moderiert. Conchita Wurst ist dabei und das Schauspielhaus nennt sich von nun an Düsseldorfer Burg. Über allem schwebt Gustaf Gründgens: Seinen legendären „Faust“ zeigt das Theater acht Wochen nonstop. Mit dieser schwindel- wie würgeerregenden Vision blickt der gerade gekürte Intendant Hassenreuter euphorisch der Zukunft und vollen Zuschauerreihen entgegen.

Zum Glück steht seit drei Wochen fest, dass Düsseldorfs neuer Intendant Wilfried Schulz heißt, und der steht außer Verdacht, solche Pläne zu schmieden. Hassenreuter, den Rainer Galke mit feister Großmannsgeste spielt, stammt aus Hauptmanns „Die Ratten“. Regisseur Volker Lösch lässt ihn in seiner Inszenierung als Vertreter der Goethschen Schauspiel-Regeln gegen Jung-Darsteller Erich Spitta antreten. Mit Schlingensief-Appeal (Urs Peter Halter) probt dieser den Aufstand und experimentiert mit den Mitteln des Theaters, dreht einen Film im RTL II Reality-Format, psychologisiert und verfremdet auf der Bühne, führt vor, wie dargestellte Postmoderne aussieht.

Zwischendurch gehen Hassenreuter und Spitta aufeinander los, was die beiden Schauspieler mit gutem Gefühl fürs Komische vor rotem Samtvorhang tun. Auch Anna Kubin und Claudia Hübbecker verrenken sich in ihren Rollen, um sich optimal ins Licht zu rücken. Es ist ein Vergnügen, wie Lösch das Spiel im Spiel und damit Hauptmanns Ideen zum Drama zur Diskussion stellt und anschließend vorführt.

Die Geschichte, die er so in unterschiedlicher Ästhetik darbietet, erzählt von Müttern, oder denen, die es gerne wären. Von Jette John, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein Kind. Von Pauline Piperkarcka, einem mittel- und männerlosen Mädchen, dem die John das Baby abschwatzt und dem sie später ihren Mordsbruder Bruno auf den Hals hetzt. Was es heute bedeutet, alleinerziehende Mutter zu sein, berichten 16 Frauen, die als Laiendarstellerinnen im Stück auftreten.

Mal erzählen sie in eine Kamera, wie ihre Männer sie mit allem allein gelassen haben. Mal spielen sie als duplizierte Jette-John-Version mit. Und einmal stehen sie als Chor vorne an der Rampe und deklamieren ihre Forderungen. Ein langer Katalog, der einem beim Zuhören schnell zu viel wird. Sie erheben ihre Stimmen, weil sie wollen, dass Kinderbetreuung kein Geld kostet, dass Düsseldorf Geld nicht in Prestigeobjekte, sondern in Soziales steckt, dass man angstfrei leben kann. Eine Vision, die nicht ganz zum Spielplan eines Hassenreuters passt. Gutes Theater aber kann sich diesen Auftritt leisten.