Interview: Glaube und Gehorsam
Barbara Sukowa über ihre Rolle als Hildegard von Bingen, über starke Frauen und Spiritualität. Der Film läuft am Donnerstag an.
Düsseldorf. Hildegard von Bingen (1098-1179) leitete trotz aller Widerstände als Frau ein Kloster. Sie wurde durch ihre Kräuterkunde genauso berühmt wie durch ihre Visionen. Die Schauspielerin Barbara Sukowa spielt in Margarethe von Trottas neuem Film "Vision - Hildegard von Bingen".
Sukowa: Sie hat sich für den Zusammenhang von Körper und Geist interessiert. Ich glaube, dass dieser Aspekt die Leute heute interessiert.
Sukowa: Sie hat sicher den Raum, den sie von der Gesellschaft zugewiesen bekommen hat, gesprengt. Auf der anderen Seite war sie konservativ. Sie war eine Adelige und in einem hierarchischen Denken verhaftet. Das ist etwas kompliziert, sie als erste Feministin zu bezeichnen.
Sukowa: Das ist mir auch ein Rätsel. Sie muss so charismatisch gewesen sein, dass sie sich durchsetzen konnte. Es gab ja viele zu der Zeit, die Visionen hatten, Wunderheiler, Kräuterhexen etc. Aber sie hat es geschafft, dass die Kirche, die Männer, ihr geglaubt haben.
Sie war auch sehr diplomatisch. Sie hat sich immer ein bisschen so dargestellt, als wäre sie die schwache, ungebildete Nonne. Sie war auch schwach, denn ihre Gesundheit war immer angegriffen. Aber sie war durch ihren Willen und den Glauben gestärkt.
Sukowa: Das muss jeder selbst entscheiden. Ein Aspekt ist sicher, dass sie einem Mut machen kann, den Weg zu gehen, den man glaubt, gehen zu müssen.
Sukowa: Ja, ich nehme an, ich suche sie mir auch aus, wenn ich sie angeboten bekomme. Ich versuche aber, sie nicht nur stark zu spielen, sondern komplex. In "Die Entdeckung der Currywurst" spiele ich eine ganz normale Frau.
Obwohl sie auch die Konventionen übertritt, wenn sie den jungen Mann bei sich aufnimmt. Daran hat mich interessiert, wie so eine Frau, die ja auch ganz normal scheint, ein so komplexes Leben führt.
Sukowa: Mit Biografien, mit ihrer Musik und ihren Schriften. Ich habe versucht, mich von der Poesie ihrer Schriften inspirieren zu lassen. Aber man kann einen Menschen aus dem 12. Jahrhundert nicht wirklich nachempfinden.
Wir haben so viel Wissen über technische und philosophische Entwicklungen. Man muss in seinem Hirn so viel eliminieren - das ist schwerer, als sich etwas anzueignen. Es geht darum, einen eigenen Blick auf die Figur zu entwickeln.
Sukowa: Für mich war es immer wichtig, einen Mann und Kinder zu haben. Ich könnte all die sinnlichen Erfahrungen nicht nur in den Kopf legen. Obwohl die Leute im Mittelalter weniger prüde waren als wir denken. Ich hätte in einem Kloster auch nicht diesen Gehorsam leisten können. Aber ich glaube, man kann sicher in dieser großen Limitierung auch innere Kraft entwickeln, Fantasie.
Sukowa: Ich glaube, es gibt im Moment ein starkes Bedürfnis der Menschen, nicht unbedingt nach einer bestimmten Religion, aber sich mit den Dingen, die man nicht wissenschaftlich erklären kann, zu beschäftigen. Wir haben so vieles wissenschaftlich erforscht, aber das erklärt letztlich nicht unsere Existenz. Es gibt so viele offene Fragen, so dass die Menschen heute nach einer gewissen Spiritualität suchen.