Kevin Spacey verlässt das Londoner Old Vic
London (dpa) — Nicholas Hytner und Kevin Spacey werden schon heute in einem Atemzug mit berühmten Vorgängern genannt: Im Who is Who der britischen Theatergeschichte haben sie neben so großen Namen wie Laurence Olivier, Peter Hall oder Trevor Nunn ihren festen Platz.
Nun steht an den von ihnen geleiteten renommierten Bühnen ein Wachwechsel an.
Hytner gibt nach Erfolgen wie „War Horse“,„The History Boys“ und „The Curious Incident of the Dog in the Night-Time“ (Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone) nach zwölf Jahren die Leitung des National Theatre Ende März ab. Im Herbst kehrt der zweifach Oscar-gekrönte Hollywood-Star Kevin Spacey („American Beauty“) nach elf Jahren als künstlerischer Leiter des Old Vic wieder voll ins Schauspielerleben zurück. Der anfangs wegen seines Hollywood-Glamours beargwöhnte Spacey wird an der Themse inzwischen als „King Kevin“ gefeiert. Kritiker befürchten das Ende einer „Goldenen Ära“.
Spacey ist es nach einhelliger Kritikermeinung zu verdanken, dass die Traditionsbühne 2004 vor dem Aus gerettet werden konnte. Heute hat das Old Vic einen globalen Ruf und steht finanziell gut da. Der 55-Jährige - der aktuell in der Internet-Serie „House of Cards“ glänzt und kürzlich mit der Goldenen Kamera als „bester internationaler Schauspieler“ ausgezeichnet wurde - soll in London bei den begehrten Olivier Awards im April für seine Verdienste um das Theater geehrt werden.
„Als ich hier ankam, sagten sie, geh doch wieder nach Hause“, erinnerte sich Spacey kürzlich in einem Zeitungsinterview. „Ich kann nicht fassen, was im Old Vic passiert ist.“ Mit einem von ihm gegründeten Förderfonds von bis zu 20 Millionen Pfund (27 Millionen Euro) will Spacey sicherstellen, dass das Old Vic auch im 21. Jahrhundert eine Zukunft hat. Mehr Damentoiletten und mehr Platz an der Bar seien seine Priorität, sagte er.
Neben so gefeierten Produktionen wie „The Philadelphia Story“ und „The Norman Conquests“ stand Spacey auch häufig selbst auf der Bühne - so etwa in den Shakespeare-Dramen „Richard II“ und „Richard III“ und in der Ein-Mann-Schau „Clarence Darrow“, in der er gegenwärtig zu sehen ist.
Im Herbst übergibt er die Regie an Matthew Warchus aus dem Old Vic-Team. Der 48-jährige Brite, der sich als Theater-und Musicalregisseur („Matilda“) in London und am Broadway einen Namen gemacht hat, gibt zu, dass er Lampenfieber hat. Es werde nicht leicht sein, in Spaceys Fußstapfen zu treten, denn unter dem Amerikaner sei das Old Vic zu einem international bedeutenden Theater geworden, betonte er.
Unterdessen ist es kein Zufall, dass Nicholas Hytner am National Theatre für seinen Schwanengesang ein neues Stück von Tom Stoppard wählte. „The Hard Problem“ ist das erste neue Werk des bekannten Dramatikers seit fast zehn Jahren. Mit seinem Schauspiel „Rosenkranz und Güldenstern“ war dem jungen Stoppard 1967 am National Theatre der große Durchbruch gelungen. Für weitere Werke wurde das National ein natürliches Zuhause.
„The Hard Problem“, eine tiefgründige, jedoch nicht humorlose Erforschung von Bewusstsein, Wissenschaft, Materialismus und Religion, wird am 16. April live in deutsche Kinos übertragen. Kritik, wonach sein jüngstes Werk intellektuell zu anspruchsvoll sei, begegnete der 77 Jahre alte Dramatiker mit der Klage über generell sinkendes Allgemeinwissen.
Hytner, der mit dem Anspruch angetreten war, Theater müsse zugleich herausfordernd und populistisch sein, hinterlässt das National nicht nur mit einem erstklassigen Ruf, sondern auch mit gesunden Finanzen. Ob das unter seinem bisherigem Stellvertreter, Rufus Norris, so bleiben wird, ist eine Frage, die die Kritiker umtreibt. Hytners Erbe sei zwar ein Geschenk, schrieb der „Daily Telegraph“, aber die Messlatte sei so hoch gehängt, dass unerfüllte Erwartungen den Erfolgstrend schnell in einen Fluch umkehren könnten.
Auf unterschiedliche Weise hätten das National und das Old Vic als Publikumsmagneten dazu beigetragen, dass die Londoner Theater auch 2014 mit 15 Millionen Theaterbesuchen erneut Rekorde gebrochen habe, sagte Anthony McNeill von der Society of London Theatre. Auf die Frage, ob das auch nach den anstehenden Personalwechseln so bleiben werde, reagierte er ausweichend: „Das National steht auf einer finanziell und kulturell sicheren Grundlage — und Spacey hat auf seine ganz eigene Art und Weise Außergewöhnliches erreicht“, sagte McNeill der Deutschen Presse-Agentur.