Leon de Winter: Das Tagebuch macht Anne Frank unsterblich

Amsterdam (dpa) - Das Tagebuch der Anne Frank wird am 8. Mai in Amsterdam auf die Bühne gebracht. Der Anne-Frank-Fonds in Basel, der die Rechte an dem Buch besitzt, beauftragte das niederländische Schriftsteller-Ehepaar Leon de Winter (60) und Jessica Durlacher (52).

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Anne sei ein ganz besonderes Mädchen gewesen, sagen die Autoren im dpa-Interview. Ihre Geschichte sei universell.

Frage: „Das Tagebuch der Anne Frank“ erschien in 70 Sprachen und einer Auflage von rund 70 Millionen Exemplaren. Wie schwierig ist es, daraus ein Theaterstück zu machen?

De Winter: Als wir vor zwei Jahren den Auftrag bekamen, dachte ich: Was für eine Aufgabe, was für eine große Verantwortung. Es ist doch eine der größten Geschichten des 20. Jahrhunderts. Das Tagebuch ist ein Testament voll Lebenslust, Einsicht und Neugier, und das macht es weltweit so einzigartig.

Durlacher: Anne ist weltweit ein Symbol. Jeder denkt, sie zu kennen. Das macht es auch schwierig. Aber es ist wichtig, die Erwartungen und fest gefügten Bilder aufzubrechen.

Frage: Was für ein Mädchen war Anne Frank?

De Winter: Als sie mit dem Schreiben anfing, war sie sprühend, eigensinnig und auch schwierig. Ein Mädchen in der Pubertät. Doch innerhalb von zwei Jahren entwickelte sie sich zu einer vollwertigen Schriftstellerin. Sonst hätte das Buch auch nicht überlebt und wäre nicht weltweit zur Sensation geworden.

Durlacher: Anne ist eine lebensbejahende Person und das steht in schrillem Kontrast zu den entsetzlichen Umständen. Das Stück zeigt ihre Entwicklung zu einer reflektierenden Person mit tiefen Einsichten.

Frage: Sie stammen beide aus Familien, die den Holocaust überlebt haben. Hat Sie das beeinflusst?

De Winter: Das durfte keine Rolle spielen. Aber wir waren beide durch unsere Familiengeschichte mit der Materie vertraut. Wir sind beide mit Menschen aufgewachsen, die dasselbe mitgemacht haben.

Frage: Was wollen Sie mit dem Theaterstück vermitteln? Was ist die Botschaft, fast 70 Jahre nach Kriegsende?

De Winter: Solange es noch Rassismus und Fremdenhass gibt, müssen wir diese Geschichte erzählen. Anne zeigt uns auch: Wie überlebten Menschen unter solchen Umständen, wie konnten sie menschlich bleiben?

Durlacher: Diese Geschichte ist universell und zutiefst menschlich. Anne hatte eine unglaublich positive Art, die Welt zu sehen. Mich hat sehr beeindruckt, wie wichtig es für alle im Hinterhaus war, an die Zukunft zu glauben und ständig zu lernen.

Frage: Aber am Ende wurde die Hoffnung zerstört: Anne und die anderen Bewohner des Verstecks wurden verraten und in Konzentrationslagern getötet.

Durlacher: Die ständige Angst und Bedrohung hängt wie eine dunkle Wolke über der Geschichte. Jeder kennt das grausame Ende. Da ist es schwer, die Leichtigkeit zu Beginn zu bewahren. Die Zuschauer sollen ja erst Anne kennen- und lieben lernen.

De Winter: Auch wenn das Ende entsetzlich ist, das Buch ist geblieben. Auf diese Weise hat Anne doch Rache genommen für die grausame Vernichtung. Sie wurde unsterblich.