Shakespeare lebt - auch 450 Jahre nach seiner Geburt
Stratford-upon-Avon (dpa) - „Sein oder Nichtsein?“ - ob Lehrer oder Sportreporter, Stammtischbrüder oder Akademiker, fast jeder hat alles entscheidende Frage in die eigene Rhetorik schon einmal eingebaut.
Die Worte, von William Shakespeare in seinem Meisterwerk „Hamlet“ geschaffen, sind auch 450 Jahre nach der Geburt (23.4.) des berühmtesten aller englischsprachigen Schriftsteller so lebendig wie sein Werk selbst.
Der Einfluss Shakespeares auf die englische Sprache, aber auch viele andere Sprachen, ist noch heute enorm. Shakespeare benutzte als erster englischsprachiger Autor etwa zusammengesetzte Worte, wie sie vor allem im Deutschen vorkommen. „Blood-stained (blutverschmiert) ist ein hübsches Beispiel zweier unterschiedlicher Wörter, die es vorher einzeln gab. Das ist die deutsche Art und Weise“, sagt Oxford-Professorin Tiffany Stern.
Das Interesse am Schaffen des großen Humanisten hat vor seinem 450. Geburtstag einen neuen Spitzenwert erreicht. „Es gibt kaum irgendjemanden, weder am untersten Zipfel Südamerikas noch in den Steppen Sibiriens, der nicht zumindest ein bisschen über Shakespeare weiß“, sagt Dominic Dromgoole, Intendant des berühmten Shakespeare-Theaters „Globe-Theatre“ in London.
Geboren in dem kleinen Städtchen Stratford-upon-Avon in Mittelengland als Sohn bürgerlicher Eltern, hat William Shakespeare mehr als 100 Sonette und Dutzende Schauspiele verfasst. Schon zu Lebzeiten war er so erfolgreich, dass er von Queen Elizabeth I. persönlich eingeladen wurde, eine Aufführung für sie zu gestalten.
Shakespeare war ein Alleskönner. Komödien wie „Ein Mitsommernachtstraum“ oder „Wie es euch gefällt“ gingen ihm genauso leicht von der Hand wie deutlich schwerer verdauliche Tragödien, etwa „Macbeth“ oder „Julius Cäsar“. Was Shakespeare für die damalige Zeit einmalig machte, war, dass er sich gerade nicht nur mit seiner unmittelbaren Umgebung in Stratford oder höchstens noch in England befasste. „Er hat darüber geschrieben, was es bedeutete, Mensch zu sein“, sagt Ben Crystal, Verfasser mehrerer Bücher über den Autor.
„Wenn Othello vor Eifersucht fast platzt, Romeo und Julia zum ersten Mal erkennen, was wahre Liebe ist, und sich Hamlet mit der Frage auseinandersetzt, was passiert, wenn wir sterben, dann können wir uns alle damit identifizieren“, sagt Crystal. „Ich habe großartige Produktionen von Shakespeare-Stücken gesehen in zahllosen unterschiedlichen Sprachen, und sie passen perfekt zu diesen Kulturen“, fügt er hinzu.
Es hat Shakespeare-Stücke gegeben, die sich mit der Apartheid in Südafrika befassten, mit dem Kasten-System in Indien oder der kolonialen Vergangenheit in Australien. „Eine der herzzerreißendsten Aufführungen, die ich je gesehen habe, war eine Produktion von "Perikles" in Japan“, sagt Crystal.
Dabei gibt es bereits seit dem 19. Jahrhundert auch Stimmen, die behaupten, es hätte Shakespeare eigentlich gar nicht wirklich gegeben - oder zumindest steckten andere Autoren hinter den Stücken, die ihm zugeschrieben werden. Grundlage dafür ist vor allem, dass es so wenig Beweismaterial gibt: Kein einziges Manuskript, nur wenige Original-Dokumente mit seinem Namen oder seiner Unterschrift, und kaum Porträts aus der Zeit.
„Kein Wissenschaftler hat Zweifel“, sagt dagegen die Oxforder Theaterwissenschaftlerin Tiffany Stern. „Das ist eine Verschwörungstheorie. Große Menschen verlocken zu solchen Theorien - Jesus oder eben auch Shakespeare.“
Das internationale Interesse an Shakespeare spiegelt sich schon allein an der Zahl der Touristen in seiner Geburtsstadt Stratford. 4,9 Millionen Menschen kamen vergangenes Jahr in das kleine Städtchen. Der Tourismus trägt nach Angaben der regionalen Fördergesellschaft „Shakespeares England“ mit 333 Millionen Pfund (403 Millionen Euro) zur lokalen Wirtschaft bei - Zahlen, die ohne den berühmten Sohn der Stadt undenkbar wären.
Die Besucher machen Bootsfahrten auf dem Avon und wollen natürlich das Geburtshaus des großen Schriftstellers sehen - vor allem aber kommen sie, um die Schauspiele der Royal Shakespeare Company (RSC) zu sehen, eines der bekanntesten Theater-Ensembles der Welt. „Die Art, wie wir Shakespeare präsentieren, ist so klar und so zugänglich, dass man es wirklich genießen kann, auch wenn man nicht jedes einzelne Wort versteht“, sagt Catherine Mallyon, Exekutiv-Direktorin der Company.
Für das Jubiläum hat die Royal Shakespeare Company diverse Veranstaltungen geplant, darunter auch Work-Shops und ein großes Feuerwerk am Geburtstag selbst. Vom Globe-Theater in London wird sich eine Theatertruppe auf eine zwei Jahre lange Reise begeben, mit dem Ziel, „Hamlet“ in 205 Nationen aufzuführen - das sind fast alle Länder der Welt. Amnesty International hat schon vorab protestiert, weil die Reise sogar nach Nordkorea gehen soll.