Der scheidende Intendant Wilfried Schulz stellt das Programm seiner letzten Spielzeit im Schauspielhaus vor Serebrennikow inszeniert in Düsseldorf

DÜSSELDORF · Robert Wilsons Spektakel von internationalem Format sind der Renner im Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit knapp zehn Jahren. Allein 25 Vorstellungen seines letzten Opus‘ „Moby Dick“ liefen seit der Uraufführung im September am Gustaf Gründgens Platz und sind Wochen vorher komplett ausverkauft – wie stets bei Wilsons Mischungen aus Grusical, Revue und lautstarker Rocky-Horror-Show.

Der vom Putin-Regime verfolgte Star-Regisseur Kirill Serebrennikow eröffnet die Spielzeit in Düsseldorf mit Sorokins „Schneesturm“.

Foto: dpa/Pavel Golovkin

Nun hat’s geklappt: Dieser Düsseldorfer „Moby Dick“ ist nach New York eingeladen. Auch wenn der Zeitpunkt noch geheim ist, ließ sich Wilfried Schulz diese Nachricht bei seiner letzten Spielplan-Konferenz entlocken.

Denn in den zehn Jahren seiner Intendanz platzierte er das NRW-Flaggschiff wieder mitten in der Gesellschaft. So auch mit Stücken aus dem Zauberkasten des befreundeten Alt-Meisters Wilson. Dazu zählen „Sandmann“ und „Dorian“ mit Schauspielstars wie Christian Friedel, der in Schulz‘ letzter Saison wieder auf Düsseldorfs Brettern erscheinen wird.

Doch neben Dauerbrennern und Kassenschlagern präsentieren Schulz, Chefdramaturg Robert Koall und Stefan Fischer-Fels vom Jungen Schauspielhaus ein dickes Buch mit 23 Neu-Inszenierungen und Uraufführungen. Mit einem Paukenschlag geht es los: „Der Schneesturm“ nach dem Roman von Vladimir Sorokin wird eine Inszenierung des vom Putin-Regime verfolgten Star-Regisseurs Kirill Serebrennikow sein.

Der jahrelang unter Hausarrest stehende Film- und Opern-Regisseur, der offen schwul lebt, konnte erst 2022 seine russische Heimat verlassen. Die Roman-Uraufführung am 12. September ist auch deshalb spektakulär, weil Düsseldorf hier mit den Salzburger Sommer-Festspielen kooperiert. Weltweit bekannt ist Serebrennikow für seine losstürmenden Inszenierungen voller Saft und Kraft mit Schauspielern, Sängern und Tänzern. „Keine Minute Langeweile“, verspricht der Intendant. Danach folgt eine Bühnenfassung des Romans vom ehemaligen Fußball-Profi Christoph Kramer: „Das Leben fing im Sommer an“. Der in Solingen geborene Weltmeister von 2014 erzählt darin unspektakulär von seiner Pubertät und seinem ersten Kuss mit einer Schulschönheit.

„Es ist mir schon komisch zumute, den letzten Spielplan vorzustellen.“ Leicht belegt klingt die Stimme des Intendanten, der im Sommer 2026, mit dann 74 Jahren, in den Ruhestand gehen wird. Nur wenige Theater-Kapitäne brennen bis zum letzten Stück so sehr für „ihr“ Haus, das Schulz durch nervig langwierige und aufwendige Sanierungsphasen mit Ausweichspielstätte am Hauptbahnhof führte. So fügt es sich glücklich, dass dieses „Central“ in Schulz‘ letztem Jahr dauerhaft die Adresse vom Jungen Schauspielhaus und der Bürgerbühne „Theater: Kollektiv“ wird. Der Umzug von der zentrumsfernen Münsterstraße ins zentrale „Central“ ist Anfang September.

In den letzten Jahren gewachsen ist zudem die Zusammenarbeit mit anderen Kultur-Institutionen, wie mit dem mittlerweile etablierten „Asphalt“-Festival, das nach der letzten Spielplan-Woche zu Beginn der Sommerferien das große Haus „bespielen“ darf. Dieses kleine Stadtfestival kann dadurch internationale Kompanien mit anregenden Performances einladen. Eine zunächst dreijährige Kooperation ist mit Schulz‘ Nachfolger, Andreas Karlaganis, abgesprochen.

Im Großen Haus steht neben Klassikern wie Shakespeares „Was Ihr wollt“ und Molières Komödie „Der Menschenfeind“ in der Regie von Sebastian Baumgarten seit Jahrzehnten mal wieder Eugène Ionescos „Die Nashörner“ auf dem Programm. Mit Blick auf aktuell politische Entwicklungen könnte man meinen: Die Geschichte um eine Gesellschaft, in der allen Nashörner wachsen und deren Bürger einem diktatorischen System nachrennen und den Weg bereiten, liegt in der Luft. Ähnlich wie der Jahrhundertroman „Krieg und Frieden“ von Tolstoi, den Tilmann Köhler auf die Bretter hieven will.

Für Erich Kästner-Fans gibt’s ein Wiedersehen mit Emil – diesmal ohne Detektive. Aber „Emil und die drei Zwillinge“ soll um die Weihnachtszeit die ganze Familie ins Theater locken. Regie führt Robert Gerloff, der dem Haus seit zehn Jahren aufregende Inszenierungen am laufenden Band beschert.

Mit Thomas Bernhards garstig bösem „Der Theatermacher“ und Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ als Open-Air-Event wird dann die Ära Schulz zu Ende gehen. Dass diese Dekade diese Bezeichnung verdient, steht jetzt schon fest.